Duisburg. Schon drei Menschen haben sich in diesem Jahr im Gefängnis in Duisburg-Hamborn das Leben genommen. Geringes Freizeitangebot, kaum Arbeitsmöglichkeiten und 23 Stunden eingesperrt: eine tödliche Mischung

Sicherheitsnetze in der JVA DU-Hamborn. Foto: Rainer Raffalski
Sicherheitsnetze in der JVA DU-Hamborn. Foto: Rainer Raffalski © WAZ

Drei Selbstmorde innerhalb weniger Wochen in der Hamborner Justizvollzugsanstalt (JVA) sind mehr als ein deutliches Alarmzeichen. Alle drei Gefangenen hatten sich erhängt. Aus ihrer Perspektive die einzig mögliche Flucht aus einer Realität, der sie nicht entkommen können. Teilweise war die Suizidgefahr bekannt. Deshalb war der letzte Gefährdete mit anderen in eine Gemeinschaftszelle verlegt worden. Geholfen hat es nichts: am nächsten Morgen wachten die beiden Mitgefangenen neben ihrem toten Mithäftling auf. In allen drei Fällen haben die Obduktionen keinen Hinweis auf Fremdverschulden ergeben.

23 Stunden eingesperrt

Dass es jetzt nach Jahren der Ruhe gleich drei Tote gegeben hat, beunruhigt Manfred Eschenbacher, derzeit Leiter der Hamborner JVA mit seinen Filialen in Duisburg Mitte, Dinslaken und Oberhausen. Gleichwohl: Ändern kann er nichts, auch wenn er schon wüsste, was dringend erforderlich wäre: "Abwechslung, soziale Kontakte." 23 Stunden sind die Männer in ihren Zellen eingesperrt, eine Stunde Freigang pro Tag sind noch nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Sporträume sind ebenso Mangelware wie Fernsehräume: "Es heißt, wir brauchten den Platz dringend für die Häftlinge." Dabei wäre ein bisschen mehr an sozialen Kontakten für die Gefangenen so wichtig. Eschenbacher: "Die werden immer ärmer." Viele können sich noch nicht einmal einen winzigen Fernseher leisten, um die Zeit zu vertreiben. Wie groß die Armut ist, zeigt eine andere Zahl: mehr als vierzig Häftlinge sitzen nur, weil sie kein Geld haben, eine Geldbuße zu bezahlen.

Die begehrte Arbeit, die zwar nur 200 Euro im Monat bringt, wird auch immer weniger. Folge: Für immer mehr Häftlinge bricht ein wichtiger Teil im Tagesablauf weg. Das alles braut sich in den Köpfen der Gefangenen zu einer unheilvollen Mixtur Hoffnungslosigkeit zusammen. Eschenbacher: "Die kommen nicht mit den dicken Problemen. Eine solche Summe von Problemen muss man erst einmal bewältigen. Immerhin sind sie in einer außergewöhnlichen Lebenssituation, stehen vor einem Prozess, dessen Ausgang sie nicht kennen."

Unternehmen zeigen wenig Interesse

Er könne noch gut 20 bis 25 Gefangene beschäftigen, sagt Eschenbacher. Dabei ist die Arbeit einfach. Derzeit werden Gummidichtungen für Kühlschränke passgenau zusammengeklebt. König ist, wer einen Kicker zusammenbauen darf. Dass so wenig Firmen Aufträge an Haftanstalten vergeben, kann Manfred Eschenbacher nicht verstehen. Denn Firmen, die hier arbeiten lassen, profitieren nicht nur von den niedrigen Löhnen. Die sonstigen Vorteile könnten aus dem Nachtgebet eines Unternehmers stammen: Kein Urlaub, keine Krankheit, keine Lohnfortzahlung, also eine ständige Verfügbarkeit aller Arbeitskräfte. Und man sorge als Anstalt auch dafür, dass eine möglichst fehlerfreie Arbeit abgegeben werde. Bleibt die Miete, die die Unternehmen zahlen müssen. Eschenbacher: "Und auch darüber können wir sprechen."

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