Walsum. . Harald Molder und seine Zeitzeugenbörse haben ihr neues Buch vorgestellt: „Walsum in historischen Fotografien“. Publikum schwelgt in Erinnerungen.
Harald Molder ist sichtlich stolz auf das Buch, das er jetzt in den Händen hält. Zudem freut sich der Vorsitzende der Zeitzeugenbörse Duisburg über die gut 30 Gäste, die zu seiner Buchvorstellung gekommen sind. Sein Verein hat in Zusammenarbeit mit dem Sutton Verlag gerade den Band „Walsum in historischen Fotografien“ herausgebracht und präsentiert ihn jetzt im Brauhaus an der Römerstraße.
Als Molder nach und nach die im Buch verwendeten 150 teils bisher unveröffentlichten Fotos und Postkartenmotive mit Laptop und Beamer an die Wand wirft und dazu kurze Erläuterungen gibt, entwickelt sich flugs ein Dialog mit dem Publikum. „Die Straßenbahn, das ist die Linie 15“, erinnert sich jemand. „Das ist die Trinkhalle am Schwan“, ruft später ein anderer, und ein Dritter erkennt das Haus, in dem heute ein Bekannter wohnt. „Im Hintergrund ist die Wilhelmschule zu sehen“, geht die lebhafte Diskussion mit einem neuen Foto weiter. Die Schule sei nach der damaligen Wilhelmstraße benannt, die später zur Adolf-Hitler-Straße geworden und heute die Dr.-Wilhelm-Roelen-Straße sei.
Freude über Anmerkungen
Molder freuen solche Rückmeldungen, etliche solcher Anmerkungen seien schließlich nach Gesprächen mit alteingesessenen Walsumern auch in das Buch mit eingeflossen. „Denn ich als Hüttenheimer kenne in Walsum ja nur das Brauhaus und den Kometenplatz vom Karneval“, sagt der Vorsitzende und lacht. „Deshalb mussten wir Leute finden, die uns etwas zu den Bildern erzählen konnten.“
Dazu gehört Mitautor Heinz Bergsen (70), der sich einen Heimatliebhaber nennt und einiges zur Beschriftung der Fotos, die vom frühen 20. Jahrhundert bis vereinzelt in die 1970er Jahre reichen, beigetragen hat. „Auf einem beschrifteten Foto mit Erntearbeitern und einer Dreschmaschine habe ich meine Großmutter und meinen Großvater entdeckt“, freut sich der Alt-Walsumer. Andere werden vielleicht die starken Brüder Adolf und Franz Kuhlmann wiedererkennen. Die Muskelmänner zogen in den 20er Jahren einen 60 Zentner schweren Anhänger an Ketten mit ihren Zähnen im Rückwärtsgang von Walsum nach Mannheim und gaben Schaulustigen unterwegs Autogramme.
Molder und die übrigen Autoren, die aus 2000 Motiven etwa 150 Aufnahmen für den Druck aussuchten und beschrifteten, zückten nach der einstündigen Präsentation ebenfalls die Stifte, und sie signierten für ihre Leser gerne deren Exemplare. „Das Interesse an der eigenen Geschichte und der Geschichte vor Ort gehört für viele Duisburger zum Alltag“, freut sich Molder. Deshalb soll der Walsumer Band, Nummer 15 in der Reihe der Zeitzeugenbörse, nicht der letzte bleiben. „Unser Fernziel ist es, alle Stadtteile abzubilden. Wir wollen Fotos, die in Schatullen schlummern, nach draußen bringen.“
Stetig wachsendes Archiv
Dass die Zeitzeugenbörse das Material dafür zusammenkriegt, daran zweifelt der Vorsitzende nicht. Denn das Vereinsarchiv, das sich inzwischen aus zahlreichen Nachlässen speist, wachse stetig. Seit über einem halben Jahr unterhält der Verein deshalb ein Lager in Hochfeld, das sich peu à peu füllt.
Übrigens nicht nur mit Postkarten und Fotos. Der Zeitzeugenbörse sei sogar ein originaler Straßenbahnwagen aus den 20er Jahren angeboten worden, sagt Harald Molder. „Der steht aber nicht bei uns im Lager. Noch nicht.“
Heimatverein bei Recherche außen vor
Helmut Schorsch, der Vorsitzende des Walsumer Heimatvereins, ist enttäuscht, dass die Zeitzeugenbörse seinen Verein nicht eingebunden hat, um das neue Buch herauszubringen. Immerhin beherberge das Archiv gut 8000 Fotos und etwa 190 000 Dokumente der Walsumer Geschichte.
So fällt dann auch sein Urteil über das Buch nicht unbedingt positiv aus. Mindestens zehn bis 15 Prozent der Fotos seien „falsch deklariert“, sagt Schorsch. Etwa jenes, das auch auf der Rückseite zu sehen ist. Laut Beschriftung zeigt es die Straßenbahnerfamilie Müller. So kinderreich sei die Familie allerdings gar nicht gewesen. Das Bild zeige also nicht nur die Müllers. Auch Verwandte von Helmut Schorsch seien darauf zu sehen, sagt er, darunter seine Mutter. „Viele Informationen in dem Buch basieren leider auf Hörensagen“, sagt Schorsch. „Beim nächsten Mal den Heimatverein einzubinden, wäre gut.“ Dieser würde gerne helfen.
Harald Molder verwehrt sich indes gegen den Vorwurf, die Zeitzeugenbörse habe schlampig recherchiert. Er und etwa 50 Walsumer Helfer hätten aber nicht bloß Chroniken gewälzt und Privatarchive durchstöbert. Facebook-Gruppen, deren Mitglieder sich über alte Walsumer Fotos austauschen, waren ebenfalls beteiligt. So ist etwa Mitautor Heinz Bergsen zum Projekt gestoßen. Dass Fehler möglich sind, räumt Molder allerdings offen ein.
Den Heimatverein habe die Zeitzeugenbörse aber nicht aus dem Projekt ausgeschlossen, sondern diesen und viele weitere Vereine angeschrieben und um Hilfe gebeten.