Wehofen. . Duisburgs schönste Exemplar steht in Wehofen, findet Experte Heinz Kuhlen. Am heutigen Tag des Baumes stellt er diese Linde und ihre Art vor.

Einsam steht sie im Hof des Sassenhofs, jenes schon im Mittelalter nachweisbaren Bauernhofs am Ortsrand von Wehofen, unweit der Grenze zu Oberhausen: die einzige Winterlinde im Duisburger Norden, die als Naturdenkmal geschützt ist. „Für mich ist es die schönste Winterlinde in Duisburg“, sagt Baumexperte Heinz Kuhlen. Er ist gerade dabei, sämtliche Naturdenkmale in Duisburg zu dokumentieren. Die Winterlinde ist Baum des Jahres 2016. Und der 25. April ist der Tag des Baumes in Deutschland.

Baumkenner Heinz Kuhlen mit einer Duisburger Winterlinde.
Baumkenner Heinz Kuhlen mit einer Duisburger Winterlinde. © Funke Foto Services

Als Baum allein zu stehen, wie auf dem Sassenhof, ist für die Winterlinde nicht ungewöhnlich. „Fast jeder Bauernhof pflanzte früher eine in den Mittelpunkt. Sie war oft der Dorfmittelpunkt, unter dem das Tanzbein geschwungen wurde“, berichtet Kuhlen. Auffallend viele Gaststätten führen die Linde im Namen. Auch als Gerichts- oder Grenzbaum habe sie gedient.

Blühen wird sie erst im Juni oder Juli. „Das ist von der Witterung abhängig“, so Kuhlen. Dann nimmt der Baum für einige Zeit die blassgelbe Farbe seiner Blüten an. Und weil die Winterlinde etwa zwei Wochen nach ihrer Schwester, der Sommerlinde, blüht, wird sie auch Spätlinde genannt.

„In freier Wildbahn, also nicht als Straßenbaum, können Winterlinden bis zu 1000 Jahre alt werden“, berichtet der Baumkenner. Deshalb sei das als Naturdenkmal ausgewiesene Exemplar in Wehofen mit seinen rund 160 Jahren gerade mal aus dem Heranwachsendenalter heraus. Um freilich ein solch biblisches Alter zu erreichen, bedürfe es eines besonders günstigen Standorts. Dazu gehört laut Heinz Kuhlen ein luft- und wasserdurchlässiger, tiefgründiger Boden. Hitze und Kälte ertrage die Winterlinde dagegen gut. Sonst würde man sie nicht von Westfrankreich bis nach Russland hinter dem Ural finden. Nur in Spanien, Schottland und Norwegen sei sie nicht heimisch.

Krone und Blätter haben die Form eines Herzens

Was die Winterlinde in unseren Breiten so beliebt gemacht hat, sind ihre Schönheit und der Duft ihrer Blüten. „Ihre Krone und ihre Blätter haben die Form eines Herzens“, erklärt Kuhlen. Auf dem Sassenhof ist das deutlich zu erkennen. Deshalb spreche man bei ihr auch vom Baum der Liebe. Ihre duftenden Blüten wiederum würden reichlich Bienen anziehen. So gelte sie auch als der Baum der Imker.

„Ursprünglich war sie der germanischen Göttin Freya geweiht“, berichtet Heinz Kuhlen weiter. Er war von Beruf Gartenbautechniker. Seit seiner Kindheit haben es ihm die Bäume angetan. „Im Christentum wurde daraus der Baum der Mutter Gottes“, fährt er fort.

Lebensleistung von 300000 Euro

Forstwirtschaftlich sei die Winterlinde dagegen weniger interessant. Das Holz eines ausgewachsenen Baumes habe gerade einmal den Wert von vielleicht 500 Euro. Ihr weiches Holz mache sie aber bei Schnitzern beliebt. Kuhlen: „Fast alle Schnitzfiguren sind aus Lindenholz.“

Aber wenn man die lebenslange Leistung einer (stadtnahen) Winterlinde bei der Filterung der Luft, für Sauerstoffbildung, Wasserhaltung und Abkühlung in Geldwert ausdrücke, dann leiste ein solcher Baum Arbeit im Wert von rund 300 000 Euro. „Was ihr als städtischem Baum heute zusetzt, sind weniger die Umweltbedingungen als der Wegfall unserer Baumschutzsatzung“, klagt Kuhlen. Seitdem werde in Duisburg geholzt „auf Teufel komm’ raus“. Auch viele Winterlinden seien davon betroffen. Selbst wenn es dafür Ersatzpflanzungen geben würde, wäre das nicht wiedergutzumachen angesichts der langen Wachstumszeit, die die Bäume brauchen, um so prächtig zu werden.

137 Duisburger Winterlinden sind derzeit Naturdenkmäler

Im Fall des Sassenhofs ist ihr Alter überliefert. Aber das Alter einer ausgewachsenen Linde anhand ihrer Jahresringe zu bestimmen, sei sehr schwer. „Alte Linden neigen dazu, direkt am Stamm eine Vielzahl von jungen Austrieben zu bilden“, sagt Heinz Kuhlen. Sie würden im Laufe der Jahrhunderte miteinander verwachsen. Stammumfänge von zehn Metern seien dabei nicht selten. Solche Exemplare gebe es aber in Duisburg nicht. Hier sind zurzeit 137 Winterlinden wegen ihrer Schönheit als Naturdenkmale ausgewiesen.