Duisburg-Nord. . In einer Serie versucht die Redaktion eine Bestandsaufnahme: Wer engagiert sich für Flüchtlinge im Duisburger Norden? Bürger, Firmen, Kirchen, Moscheen?

Was in Walsum als Projekt einer Hand voll Helfer begann, funktioniert mittlerweile wie ein kleines Sozialunternehmen: 80 Bürger kümmern sich um die Walsumer Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber, bieten an der Königstraße und in der ehemaligen Frankenschule unterschiedlichste Dienstleistungen an.

Angefangen von der Kleiderkammer (wir berichteten) sind die Freiwilligen aufgeteilt in regelrechte Abteilungen: Erziehung und Bildung, Freizeit und Spaß, Einzelfallbetreuung und Transportwesen sind nur einige der spezialisierten „Fachabteilungen“, mit denen die Walsumer Bürger den Neuankömmlingen unter die Arme greifen.

Auch in Meiderich und Beeck unterstützen mittlerweile viele Bürger die Integration der Flüchtlinge. An der Dislichstraße ist der pensionierte Lehrer Dieter Lesemann Koordinator der ehrenamtlichen Hilfe. Auch hier hat sich die Aufteilung in bestimmte Sachgebiete bewährt: „Unser Team, das sich aus dem Meidericher Arbeitskreis Aksus entwickelt hat, teilt sich auf die Bereiche Versorgung, Schule und Spiel, Feste und Feiern sowie Nachbarschaftsarbeit auf“, sagt Lesemann.

Zuerst habe man an der Dislichstraße mit 50 Menschen gerechnet, die zu betreuen sind: „Dann wurden es 70 und jetzt sind es 100.“ Engpässe oder Probleme habe es aber nicht gegeben: „Wann immer wir ein Fest oder eine Veranstaltung gemacht haben, dann war die Beteiligung der Nachbarn und Unterstützer so groß, dass die Sache sich auch finanziell getragen hat."

Während man anderswo in der Republik klagt, die Unterstützung der Bevölkerung lasse spürbar nach, ist in Meiderich ein gegenteiliger Trend erkennbar: „Derzeit gibt es 16 Leute, die praktisch in der Warteschleife stehen, um sich bei uns ehrenamtlich zu engagieren.“

Eines müssten potenzielle ehrenamtliche Helfer in jedem Fall mitbringen, sagt Lesemann: „Geduld“, sagt der pensionierte Pädagoge, „denn alle wollen natürlich sofort etwas tun. Aber das will gut geplant sein.“ So sollen die 16 Freiwilligen nun darauf vorbereitet werden, am der Koopmannschule und der Bronkhorstschule ein Ehrenamtlichen-Netzwerk zu bilden: „Denn auch dort sollen wohl schon bald Flüchtlinge untergebracht werden“, sagt Lesemann.

Anlaufstellen in den Stadtteilen 

Hans-Werner Biedziak, der zur Zeit das Bezirksamt Meiderich-Beeck kommissarisch leitet, bietet an, dass sich potenzielle ehrenamtliche Helfer im Bezirksamt melden: „Derzeit läuft hier vieles zusammen“, sagt Biedziak, „wir versuchen auch, die Anfragen vieler Bürger, die sich rund um die Flüchtlinge engagieren wollen, zu koordinieren.“

Dies sei auch deshalb sinnvoll, weil die interessierten Bürgern ihren Wünschen, Qualifikationen und Neigungen gemäß eingesetzt werden könnten, wenn man einen Gesamt-Überblick über potenzielle Interessenten habe: „Im Laufe der Woche werden wir hier im Bezirksamt wieder ein Organisationsgespräch mit Helfern und interessierten Bürgern haben“, sagt Biedziak.

Wer sich in Walsum für Flüchtlinge engagieren will, kann sich bei der Walsumer Flüchtlingshilfe melden. Auch hier, sagen die ehrenamtlichen Mitarbeiter, sei es wichtig, dass potenzielle Helfer sich vorher klar machten, in welchem Bereich sie tätig werden wollen, etwa Freizeitgestaltung, Bildung oder Kinderbetreuung.

In Neumühl bieten sich zwei Institutionen als Ansprechpartner an. Interessierte Bürger können sich direkt an das Neumühler Landesasyl im ehemaligen St. Barbara-Hospital wenden oder den Verein Projekt Lebenswert ansprechen.

Solidarität als Lebensentwurf 

Ein Kommentar von Christian Balke

Schaut her ihr Münchner, Düsseldorfer, Frankfurter, ihr Dresdner und Hamburger.

Wenn unter Euch solche sind, die häufig die Nase rümpfen, wenn überregional mal wieder die mediale Schublade mit dem ach so heruntergekommenen Duisburger Norden aufgezogen wird, wenn Halbwahrheiten und Vorurteile freigesetzt werden.

Von Walsum, Neumühl, Meiderich kann man etwas lernen. Vielleicht sind die Menschen hier im Duisburger Norden nicht die produktivsten in der Republik, wenn strebergesichtige neoliberale Unternehmensberater ihre kalten Werteschablonen anlegen.

Hier bei uns lebt ein Menschenschlag, mit Tugenden, die für den Zusammenhalt des Gemeinwesens mindestens so wichtig sind, wie Innovation und Produktivität.

Die zahlreichen Bürger, die sich im Duisburger Norden ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren, sie haben die Tugend der Solidarität verinnerlicht, haben einen Lebensentwurf daraus geschaffen.

Man will hoffen, dass die lokale Politik diese Mentalität der Bürger nicht als Selbstverständlichkeit gering schätzt. Man muss diese Menschen würdigen, achten und pflegen. Ihr Handeln ist ein hohes Gut.