Meiderich. . Der AWO-Ingenhammshof als Tonstudio: Duisburger, die aus aus Polen, Russland, Bulgarien, Mazedonien und China stammen, produzieren eine CD
Auf Deutsch, Englisch, mit Händen und Füßen, versucht es AWO-Mitarbeiterin Michaela Bondarowicz. Nicht leicht, die chinesische Pianistin Jin, die polnischen Blues-Veteranen Andrej und Mariusz und das kasachisch-russische Gesangs-Trio um Oxsana Wolf in eine gemeinsame musikalische Richtung zu bewegen.
Doch dann geht alles ganz schnell: „C-dur, G-moll, D-moll“, sagt Andrej, der Mann mit der Gitarre und der Mundharmonika, die Akkorde an, und plötzlich ist alles im Fluss, beantwortet Musik alle Fragen.
Die Frauen um Oxana singen ein selbstkomponiertes Lied über die eine Sonne und den einen Himmel, unter denen alle Menschen leben. Gleich welchen Glaubens und welcher Hautfarbe.
Gesang und Klavierbegleitung verleihen dem Stück getragenen, tiefen, fast klassischen Charakter – die „polnischen Gitarren“ und Andrejs Mundharmonika schlagen eine Brücke zu Folk und Blues. Das Ergebnis passt jedenfalls. Zur CD, die hier produziert wird und zum Motto des Abends.
„Spitze“, sagt Michaela Bonarowicz ganz begeistert, „so nehmen wir das jetzt auf.“ Die Duisburger unterschiedlichster Herkunft, die hier in der guten Stube des AWO-Lernbauernhofes miteinander musizieren, sehen sich an diesem Montagabend erst zum dritten oder vierten Mal, einige sind zum ersten Mal dabei.
„Unsere Stimme gegen Rassismus“, heißt das Musikprojekt der Awo, an dem sich grundsätzlich jeder beteiligen kann, der gemeinsam mit anderen musizieren will.
Geleitet wird das Ganze von Mustafa Zekirov, Integrationspate der AWO und begnadeter Gitarrenvirtuose. Der mazedonische Rom kam vor 25 Jahren aus dem damals zebrechenden Jugoslawien nach Duisburg: „Wie im wahren Leben: Wir müssen uns gut zuhören, aufeinander eingehen und fleißig üben. Dann klappt das.“
Schon nach fünf Gruppentreffen wollen Zekirov und der Oberhausener Musiker und Pädagoge Patrick Nevian die Teilnehmer so weit haben, dass sie Stücke für eine CD einspielen können. „Vermutlich treffen wir uns anschließend weiter, um Musik zu machen“, sagt AWO-Frau Michaela.
Artistische Breakdance-Einlage
Martin und Perihan sind Bulgaren, deren Familien dort der großen türkischen Minderheit angehörten. Heute leben sie im Duisburger Norden.
Sie haben sich in eine Ecke zurückgezogen und proben dort einen anspruchsvollen Song. Den hatte noch zu Zeiten Jugoslawiens die mazedonische „Queen of Gypsymusic“, die große Esma Redžepova, um die Welt getragen. „Čaje Šukarije“, die Hymne der Roma vom stolzen Gang des hübschen Mädchens.
Martins Stimme klemmt ein wenig, Perihan muss sich erst noch in den anspruchsvollen Text einarbeiten, den sie in Romanés, der Sprache der Roma, einsingen will.
Martin muss also Taten sprechen lassen.Samstag hat er in Bruckhausen einen Breakdance-Auftritt. Spontan zeigt er einen Teil seines artistischen Programms. Auf die Sprachlosigkeit der Zuschauer folgen Ovationen.
Virtuose Improvisation von Di Meola und de Lucia
Fast den ganzen Abend hat Projektleiter Mustafa Zekirov damit verbracht, Demo-Aufnahmen der CD-Stücke aufzuzeichnen.
Schließlich nimmt der Mann, der im ehemaligen Jugoslawien in Skopje aufwuchs, selbst die Gitarre in die Hand.
„In meiner Jugend sind wir mit der traditionellen Roma-Musik, mit serbischer Folklore, mit der bosnischen Sevdalinka und der Mandolinen-Musik von der kroatischen Adria aufgewachsen“, sagt Zekirov, „aber auch mit Bob Dylan, den Rolling Stones, Santana und dem Jugo-Rock’nRoll der 60’er, 70’er und 80’er.“
Dann greift Zekirov in die Saiten und alle im Raum halten den Atem an. In einer Viertelstunde zeigt er den Besuchern, wie Carlos Santana klingen würde, wenn man „Soul Sacrifice“ mit Akkorden des Balkan-Blues kombinieren würde.
Groß werden die Augen der Zuhörer, als Zekirov Stücke der Gitarrengötter Al Di Meola und Paco de Lucia virtuos zu einer spontanen Improvisation verbindet.
„Mir geht es“, sagt Mustafa Zekirov schließlich in akzentfreiem Deutsch, „wie vielen anderen hier. Manchmal wird man behandelt wie der letzte Dreck. Statt jemanden wegen seiner Herkunft abzustempeln, sollte man lieber genau hinsehen, was diesen Menschen auszeichnet.“