Duisburg. . Die Videoaufnahmen von Manfred Bauknecht sind ein dramatisches Zeugnis von der Loveparade-Katastrophe in Duisburg. Der Student behielt in dem Chaos die Ruhe und beteiligte sich an Wiederbelebungsmaßnahmen. Jetzt sucht er das Gespräch mit Angehörigen.
Fast ein Jahr ist seit der Loveparade-Katastrophe am 24. Juli 2010 vergangen, und noch immer suchen viele Besucher und Angehörige nach Antworten. Dabei stehen nicht nur die staatsanwaltlichen Ermittlungen zu der Tragödie im Mittelpunkt: Manfred Bauknecht war wie viele andere in dem Gedränge an der Rampe zum Loveparade-Gelände gefangen. Der Student aus Baden-Württemberg gehörte zu den wenigen Besuchern, die auch in dem größten Chaos die Ruhe behielten. Er filmte die schrecklichen Szenen an der Treppe und sprach gleichzeitig anderen Mut zu.
Wenig Angst im Loveparade-Chaos
Als sich die Menschenmasse auflöste und die am Boden liegenden leblosen Körper sichtbar wurden, versuchte der 28-Jährige zwei von ihnen wiederzubeleben. Jetzt will Manfred Bauknecht ganz persönliche Antworten finden. „Ich will mich am Wochenende in Duisburg mit einigen Eltern von Loveparade-Opfern treffen, um zu erfahren, wer diese Menschen waren, denen ich versucht habe zu helfen“, sagt Manfred Bauknecht im Interview.
Wenn er von seinen Plänen berichtet, wirkt der Student ruhig und gefasst: „Ich habe im mehrfachen Sinne Glück gehabt. Ich bin nicht unverletzt geblieben und habe im Nachhinein auch keine Alpträume.“ Angst um sein Leben habe er während des Loveparade-Chaos lediglich wenige Minuten gehabt, als er von Treppe weggedrängt wurde. „Erst als ich mir später meine Videoaufnahmen angeschaut habe, registrierte ich die Schreie und die Hilferufe um mich herum“.
Drastische Videoaufnahmen an der Loveparade-Rampe
In dem Gedränge an der Treppe hatte er 15 Minuten lang die Hand eines rothaarigen Mädchens gehalten, die von einigen anderen Körpern zu Boden gedrückt wurde. Nachdem er auf sie eingeredet hatte, dass sie nicht aufgeben dürfe, konnte er ihr schließlich aufhelfen. Dann verloren sie sich allerdings in dem Chaos. „Das war einer der Gründe, warum ich meine Videoaufnahmen bei YouTube eingestellt habe – ich wollte unbedingt das Mädchen wiederfinden“. Über seine Videos startete er einen Suchaufruf nach ihr.
Die drastischen Aufnahmen unter seinem YouTube-Account pizzamanne wurden schließlich mehrere Hunderttausend Mal angeschaut und mit unzähligen Kommentaren versehen. Rund 1000 E-Mails erreichten Manfred Bauknecht. Darunter war auch Kristina, das Mädchen dessen Hand er bei der Loveparade gehalten hatte. Mittlerweile haben sich Kristina und Manfred mehrfach in Fernseh-Talkshows gesehen, wo sie von dem Erlebten berichteten.
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt der Student die Berichterstattung über die Folgen des Unglücks und kann ob der offenbar rechtswidrigen Genehmigung der Loveparade nur den Kopf schütteln: „Wenn man eine Baugenehmigung in Deutschland erhalten will, müssen alle Auflagen bis ins kleinste Detail erfüllt werden. Oder wenn ich ein Problem mit meinem Auto habe, dann zieht es der TÜV aus dem Verkehr. Aber in Duisburg bei der Loveparade geht einfach alles durch.“
Die Aussagen von Oberbürgermeister Adolf Sauerland kann Manfred Bauknecht nicht nachvollziehen: „Der spricht doch überhaupt nicht mehr selbstbestimmt. Was jetzt von ihm kommt, stammt doch von irgendwelchen Ratgebern“. Die Sachbearbeiter bei der Stadt gegen die die Staatsanwaltschaft derzeit ermittle, bezeichnet Bauknecht als „Bauernopfer“. „All die Verantwortlichen, die nach der Loveparade schweigen, wissen genau, warum sie nichts sagen wollen.“
Um zur Aufklärung beizutragen, hat der 28-Jährige seine Filmaufnahmen kurz nach der Loveparade der Polizei und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt und eine Zeugenaussage gemacht.