So unterschiedlich wie die Menschen sind die Wege der Trauer nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg. Und so unberechenbar. Die MSV-Arena blieb am Samstagvormittag weitgehend leer.

Vielleicht ist den Menschen, die auf der Loveparade waren, die Lust auf Massenereignisse für immer vergangen. Mit Sicherheit ist die Trauer um 21 Menschen, von denen wir in den meisten Fällen nicht den Namen wissen und deren Lebensgeschichte nur die Freunde und Angehörigen kennen, etwas anderes als die Trauer um Nationaltorwart Enke, bei dessen Trauerfeier sich ein Stadion füllte.

Doch es ist vermutlich angemessener, dass die Trauer um jene 21, die in einer Menschenmenge untergegangen sind, nicht in einer Menschenmenge erfolgt. Sondern, dass sie individuell in ihrer Einzigartigkeit beweint, betrauert, begraben werden. Zu hoffen ist, dass sie auch mit individuellen Trost erreicht werden.

Die Erinnerung, die sich auch gestern noch mit Trauermärschen durch Duisburg fortsetzte, wird auch physisch zur Ruhe kommen. Sie wird sich ihre Orte suchen, meinte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck – so werde der Ort des Unglücks zu einer Gedenkstätte. So gibt es bereits jetzt erste Pläne, an der Stelle des Unglücks eine Kapelle entstehen zu lassen – womöglich ist demnächst auch Raum und Gelegenheit, den Menschen, die wegen ihrer Liebe zur Musik den Tod fanden, ein Requiem zu widmen – in welcher musikalischen Form auch immer.

Verneigung vor den Toten

Wohltuend zudem, dass Bischof Overbeck, der jüngst für das Vertreten der schwulenfeindlichen, konservativ-katholischen Sexualmoral kritisiert wurde und gewiss der Loveparade nicht uneingeschränkt seinen Segen geben könnte, dem kruden Gedanken eines rächenden Gottes eine Absage erteilte. Ex-Tagesschausprecherin Eva Herman hatte derlei gemutmaßt. „Ich glaube an einen Gott des Erbarmens und der Liebe“, hielt er dem entgegen – wie fast gleichlautend Präses Nikolaus Schneider.

Neben den Kirchenoberen haben sich am Samstag in der Salvatorkirche die führenden Politiker vor den Toten von Duisburg verneigt. Wer in dieser Geste Geltungssucht und Heuchelei sehen will, sollte wissen, dass viele von ihnen ohne Kamerabegleitung zu den Angehörigen gegangen sind. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat stellvertretend für alle Politiker in ihrer einfühlsamen Rede zugesagt, dass das Land tun wird, was auch seine Aufgabe ist: für materielle Entschädigung und lückenlose Aufklärung sorgen. Sie, die während der Loveparade um ihren dort feiernden Sohn bangte, hat – mit ihren Tränen kämpfend – hinzugefügt, dass sie sich den Opfern der Loveparade verpflichtet fühle, Wohlergehen und Sicherheit des Menschen müssten zur wichtigsten Leitlinie des politischen Handelns werden.

Wirtschaftliche Interessen

Eine Verpflichtung, die alle Regierenden in Stadt und Land mit ihrem Amtseid eingehen. Wie Hannelore Kraft haben sie geschworen, dass sie ihre ganze Kraft „dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden wolle“. Dass es einer Katastrophe wie der von Duisburg bedarf, um das - wie es Kraft getan hat - allen wieder ins Gedächtnis zu rufen, lässt Rückschlüsse darauf zu, wie sehr Politik und Verwaltung oft Gefahr laufen können, sich vorschnell zum Diener wirtschaftlicher Interessen oder vermeintlich imagefördernder Großereignisse zu machen.

Vielleicht sind da Kommunen besonders gefährdet, sicher ist es vernünftig, daher Großereignisse künftig durch das Land genehmigen zu lassen. Und gewiss wird man bei einer Revision der Kommunalverfassung Rücktrittsregeln für Oberbürgermeister einführen, die es ihnen leichter machen, politische Verantwortung zu übernehmen.