Düsseldorf. Im Loveparade-Prozess hat am Mittwoch ein Augenzeuge geschildert, wie er das fürchterliche und für 21 Menschen tödliche Gedränge erlebt hat.
Eike war sein Freund. Eike hatte einen Spitznamen für ihn, und der war das Letzte, was er von ihm hörte. Zweimal, dreimal im Gedränge der Loveparade, es waren Hilfeschreie, aber er konnte ihm nicht helfen. Das nächste, was er hörte von Eike, war abends im Auto: “Eike ist tot.”
Der 27-Jährige aus Osnabrück ist erst der sechste Zeuge im Prozess um das Techno-Fest von Duisburg, bei dem 21 Menschen starben. Nicht der erste, der über Tote redet, aber der erste, der über ein Opfer spricht, das er kannte. Eike Mogendorf, 21, einer von sieben Freunden, der den Ausflug nicht überlebte. Wie sein Freund sind auch seine Eltern Nebenkläger im Prozess, in dem sich zehn Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung verantworten müssen.
Er fühlte sich “wie mehrfach durch den Fleischwolf gedreht”
Unter Tränen erzählt der Zeuge von der drangvollen Enge, die ihm den Atem nahm, die ihm die Beine wegzog, bis er lag, unter ihm Körper, über ihm, und er selbst “wie Treibsand, der immer tiefer sinkt”. Es kam ihm wie Stunden vor, sagt er, vergeblich versuchte er, nach seinem Handy zu greifen, “um noch einmal meine Mutter anzurufen”. Verzweifelte rissen an ihm, bissen und kratzten, ihm wurde schwarz vor Augen. Und dachte: “Das war’s. Dann wirst du wohl hier und heute sterben.”
Der damals 20-Jährige hat überlebt. Mit Schürfwunden, blauen Flecken, Bisswunden, aber er hat es geschafft. “Sie kommen!”, rief plötzlich ein Freund, er wurde hinausgezogen, lag reglos zwischen den Körpern, konnte seine Beine nicht bewegen, fühlte sich, “wie mehrfach durch den Fleischwolf gedreht”.
"Wir haben sie kein Stück hochbekommen"
Und dann sah er das Mädchen: Jenes Mädchen, das neben ihm die Augen verdreht hatte, da war Eike noch da. Lange hatte er versucht, die junge Frau hochzuziehen, sie war leicht und er war stark, “aber wir haben sie kein Stück hochbekommen, und dann habe ich sie nicht mehr gesehen”. Und nun lag sie da, die Augen offen, die Lippen blau. Der 27-Jährige weint.
Erst auf Nachfrage kommen die Bilder zurück: dass die Freundin des Mädchens Spanisch sprach. Es gab zwei spanische Todesopfer am 24. Juli 2010. Und dass er Eike noch gesehen hat auf dem Boden, nachdem sie umgefallen waren “wie Dominosteine”. “Ich hatte meine Hand auf seiner Brust, und irgendwann hat er nicht mehr geatmet.” Sie haben Eike gesucht, “aber er war nicht da”.
Bis Patrick die Zeitungen sah, Tage später erst, dachte er, die Rampe zur Loveparade sei ihr Ausgang gewesen. Der Fluchtweg.