Duisburg. Die Deichsanierung verzögert sich bis 2028. Als Überbrückung schützt ein 1,6 Millionen Euro teurer Notdeich die Homberger bei Extrem-Hochwasser.
Wir haben Mittelwasser. Seit Tagen pendelt sich der Stand bei moderaten zweieinhalb Metern ein. Den Schafen auf dem Homberger Deich ist das ziemlich schnuppe, was der Pegel am anderen Ufer in Ruhrort anzeigt. Sie futtern sich die Bäuche voll, während der Rhein zum Glück gemächlich in seinem Bett liegt.
Am 1. November hat die Hochwassersaison begonnen, die bis Ende März dauert. Wenn der Pegel des Flusses steigt, sorgt das bei Anwohnern immer für Aufregung, aber seit 2018 wird der Wasserstand hier im Nordwesten der Stadt noch skeptischer beäugt als vorher. Denn neben Beeckerwerth ist Homberg das zweite große Sorgenkind der Hochwasserschützer: Vor zwei Jahren wurde bekannt, dass ein Abschnitt des Homberger Deiches nur noch bis zu einem Pegel von 11,50 Metern standfest ist. Beim letzten großen Hochwasser 1995 kletterte das Wasser höher – auf 11,66 Meter. Glück gehabt! Der marode Deich hat die Wassermassen vor 25 Jahren noch brav geschultert.
„Damals haben wir noch nicht gewusst, dass der Deich so durchlässig ist“, sagt Ralf Krumpholz, der noch das Dezernat für Verbraucherschutz und Feuerwehr leitet. Erst bei Untersuchungen im Rahmen des Deichsanierungsplanes 2018 ist aufgefallen, dass es auf einem Abschnitt hinter dem PCC-Stadion in Richtung Kohlenstraße bei Extremhochwasser zur Katastrophe kommen könnte. Statistisch gesehen kommt das nur alle 100 Jahre vor, aber wer will sich auf solche Rechenspiele schon verlassen? In den 90ern gab es zuletzt gleich zweimal ungewöhnlich kurz hintereinander ein gewaltiges Hochwasser.
Und so wurde am 13. September 2018 per Eilbeschluss ein Notfallplan zur Hochwasser-Gefahrenabwehr in Homberg beschlossen. Ein 1,6 Millionen Euro teures Papier, denn es beinhaltet die Freigabe zum Kauf des Materials, mit dem im Fall der Fälle ein zweiter Deich auf der Reindeichstraße in Homberg errichtet werden kann.
Wer vom Stadion aus auf der Deichkrone in Richtung Baerl spaziert, der versteht, warum der Erdwall an dieser Stelle nicht einfach mit Sandsäcken stabilisiert werden kann. „Der Deich ist schlecht zugänglich, weil er hinter einem kleinen Wald liegt. Außerdem ist er sehr steil“, erklärt Ralf Krumpholz die Problematik. Auf der anderen Seite hat man die Rheindeichstraße, die etwas erhöht gebaut ist. „Die Straße ist schon eine Art natürlicher Deich“, sagt der Fachmann. Und genau hier soll bei extremem Hochwasser aufgestockt werden.
Rekordhochwasser im Jahr 1926: 13,04 Meter
Das ist dringend nötig, denn der Deich, der Ende der 20er Jahre gebaut wurde, nachdem das Wasser 1926 auf den bisherigen Rekord von 13,04 Metern geklettert war, könnte beim nächsten Mal schlapp machen. „Der Deich hat das Problem, dass ihm eine wassersperrende Schicht fehlt“, erklärt Fachbereichsleiter Krumpholz. „Deshalb weicht er schneller auf als moderne Deiche.“ Außerdem wurde er im Krieg beschädigt und besteht zum Teil aus Schutt und Resten vom Bergbau. „Das ist keine homogene Bauweise und macht ihn instabiler.“ Eine sichtbare Folge: In den vergangenen Jahren gab es immer mehr Wasser auf der Landseite. Das fiel vor allem im Januar 2018 bei einem Pegel von 9,69 Metern auf.
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Höchste Zeit zu handeln. Auf großen Rollen lagert die Feuerwehr jetzt das, was im Ernstfall die Wassermassen vor den westlich liegenden Wohngebieten aufhalten soll: riesige Schläuche, die mit Wasser gefüllt und mit Sandsäcken stabilisiert, zur stabilen Barriere werden sollen. Bei der Sprengung des Weißen Riesen in Homberg war der mobile Deich im vergangenen Jahr im Einsatz. Die Feuerwehr hatte damit einen gigantischen Pool gebaut, aus dem sie Wasser zur Staubbekämpfung pumpen konnte. Ein Vorteil des Systems ist, dass es vergleichsweise schnell aufgebaut ist. „Innerhalb von 48 Stunden ist das möglich.“
Was so locker klingt, ist ein enormer Kraftakt, für den die Verantwortlichen von Feuerwehr und THW Hunderte von Helfern benötigen. Ralf Krumpholz nennt die Zahlen, die für einen solchen Einsatz in Homberg kalkuliert sind: „Wir arbeiten rund um die Uhr in drei Schichten. Pro Schicht benötigen wir 700 Einsatzkräfte.“ Nur ein Bruchteil davon ist mit dem reinen Aufbau des mobilen Deichs beschäftigt. Der Rest muss Basisarbeit leisten und Sand in Säcke füllen. „Wir brauchen im Notfall in Homberg 300. 000 Sandsäcke.“ Allein 30. 000 sind nötig, um die Unterführung am Parkplatz der Sportanlage abzudichten. Der Notdeich auf der Rheindeichstraße hätte eine Länge von einem Kilometer, die Elemente sind jeweils 40 Meter lang.
Die Deichsanierung verzögert sich mindestens bis 2027/2028
Bleibt noch die Frage, was mit den Wohnhäusern ist, die nördlich des Stadions zwischen Fluss und Rheindeichstraße liegen. Im Eilbeschluss ist von zehn Gebäuden die Rede. „Die müssten wir dann leider aufgeben. Es geht nicht anders“, so Krumpholz. Das Stadion wird gesondert gesichert – mit Tonnen, die mit Wasser oder Sand befüllt werden.
Der Notfallplan steht, aber die Stadt hofft natürlich, dass es bis zur Sanierung kein Jahrhunderthochwasser mehr gibt. Allerdings wurde der Zeitpunkt der Fertigstellung des neuen Deichs schon vor dem Start der Arbeiten nach hinten verschoben. Eigentlich sollten die Homberger 2024/25 einen stabilen Deich haben, nun ist von 2027/28 die Rede. Zur Überbrückung soll es 2023 eine „vorgezogene Baumaßnahme“ geben, die den alten Deich für seine letzten Einsatzjahre ausbessert.
Man darf gespannt sein. Das nächste Hochwasser kommt, die Frage ist nur – wann?
>>> ZWEITE DEICH-SCHWACHSTELLE IN BEECKERWERTH:
Duisburgs zweite große Hochwasserschwachstelle ist in Beeckerwerth. Hier gibt es einen Deichabschnitt, der nur noch bis zu einem Pegel von 10,40 Metern standfest ist (rote Markierung auf der Karte). Im Jahr 2022 soll der Deich saniert werden. Für den Fall, dass der kritische Wasserstand vorher erreicht oder überschritten wird, existiert ein Notfallplan. Der Beeckerwerther Deich müsste kurzfristig mit großen Mengen Kiessand als zusätzlicher Sicherung stabilisiert werden.