Rheinhausen. Wie eine Rheinhauser Stickerei von coolen Festival-T-Shirts auf individuellen Mundschutz mit Firmenlogo umsattelt. Besuch in Asterlagen.
Was macht eigentlich eine Firma, die coole Shirts und Käppis für Festivals bestickt, Wäsche für Hotels und Gastronomie mit Logos verziert oder für den Messeauftritt von Firmen eine persönliche Note entwirft, wenn all das momentan gar nicht mehr benötigt wird? Viktor Tyburski hat die erste Schockstarre überwunden.
Gemeinsam mit seinem Bruder leitet der 40-Jährige im Businesspark Niederrhein in Asterlagen die Stickerei, die seine Mutter 1994 gegründet hat. Seitdem ist der Familienbetrieb auf 25 Mitarbeiter gewachsen. Als von jetzt auf gleich die Aufträge ausblieben, hat die Familie versucht eine Strategie zu entwickeln, um als Unternehmen in der aktuellen Krise nicht unterzugehen.
Persönliche Note auf Stoff
Die Frage war: Was kann man in diesen Tagen denn noch mit Firmenlogos besticken, so dass es nützlich ist und auch von anderen gesehen wird? Die Antwort ist eigentlich einfach: Mundschutz! Ab sofort stellt die Rheinhauser Stickerei nicht nur Geschichtsmasken in großer Zahl her. Sie gibt den Stoffen, die vor der Ausbreitung des Virus schützen sollen, auch eine persönliche Note. Viktor Tyburski klingt optimistisch, als er von dem neuen Projekt erzählt. „Wir haben die Firma schon umgebaut und neue Nähmaschinen bestellt.“ Auch die Mitarbeiter, so hofft er, werden ihren Job behalten können. „Wenn es so klappt, wie wir uns das erhoffen, werden wir jede helfende Hand in unserer Firma brauchen.“
Die ersten Aufträge sind schon eingegangen. Nachdem das Rheinhauser Unternehmen seine Stammkunden über die Geschäftsidee informiert hatte, meldete sich zum Beispiel ein Autohaus. Das wird Kunden, die ihr Fahrzeug zur Inspektion oder Reparatur bringen, nach getaner Arbeit als Dankeschön statt der sonst üblichen Kugelschreiber einen Mundschutz mit dem Firmenlogo ins Auto legen.
Eine Geste, die einen mehrfachen Nutzwert hat. Der Kunde, der den Mundschutz trägt, macht nebenbei als lebendige Werbefläche den Namen seines Autohauses bekannt. Wenn man den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen trauen darf, hilft er außerdem mit, dass sich das Virus weniger verbreiten kann. Das wiederum hat zur Folge, dass sich das gesellschaftliche Leben im besten Fall schneller wieder normalisiert – und davon profitieren am Ende alle.
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Die Geschäftsidee ist das eine. Die Ausstattung mit dem notwendigen Material das andere. Und das ist in Zeiten, in denen so manches zur begehrten Ware wird, eine Herausforderung. „Gummi ist das neue Gold“, sagt Viktor Tyburski und lacht ins Telefon. Absurde Erlebnisse hat ihm die Suche nach der dehnbaren Ware beschert, die unbedingt notwendig ist, um einen Stoff zur angenehm sitzenden Gesichtsmaske zu machen.
Einen Tag nachdem der Rheinhauser bei einem Händler fündig geworden war und dort Gummis geordert hatte, wollte er zur Sicherheit eine weitere Bestellung machen. Komplett überrascht war er, als er den Preis sah: „Der hatte sich über Nacht mehr als verdreifacht.“ Und das, obwohl das Gummi eine schlechte Qualität gehabt habe. Sein Vater hat sich dann noch einmal auf die Suche gemacht und in den Niederlanden einen Glücksgriff getan. „Jetzt haben wir einen ausreichenden Vorrat, mit dem wir arbeiten können.“
Fehlproduktionen wiederverwerten
Auch Stoffe sind momentan begehrt. Aber hier kann die Stickerei aus dem eigenen Fundus schöpfen. Fehlproduktionen zum Beispiel können jetzt wiederverwertet werden. Daraus sollen zweilagige Masken entstehen, die individuell für Firmen bestickt werden. Viktor Tyburski weist ausdrücklich darauf hin, dass es hier nicht um medizinische Produkte geht, die bei Kontakt mit Erkrankten schützen.
Die Familie hatte kurz überlegt, ob sie ein spezielles Vlies mit einnähen sollte, dann aber doch von dieser Idee wieder Abstand genommen. „Das wäre eine trügerische Sicherheit, denn auch eine Stoffmaske mit Vlies kann nicht dicht genug am Gesicht befestigt werden.“ Die einfachen Stoffmasken sorgen einzig und allein davor, dass unwissentlich Erkrankte beim Ausatmen weniger Tröpfchen verteilen.
„Es geht schon in den Fashion-Bereich“
Dabei können sie künftig auch noch gut aussehen, denn die Tyburskis setzen nicht auf die klinisch weiße oder grüne Variante, sondern auf Design. „Das geht schon in den Fashion-Bereich.“ Schade, dass der Anlass so ernst ist. So hält sich die Freude über den modischen Gesichtsschmuck dann doch in Grenzen. Denn eigentlich würde auch der Chef statt Atemschutz lieber ein cooles Käppi oder Festivalshirt tragen. Nur Geduld, auch diese Zeit kommt wieder!