Duisburg. Mitglieder der Bergbausammlung Duisburg-Rheinhausen freuen sich auf das Ende des Lockdowns. Spannende Geschichten rund um Bergleute.

Traditions- und Brauchtumspflege sind momentan bei der jüngeren Generation nicht sonderlich angesagt. Wenn Teenager sich zwischen Youtube gucken oder dem Besuch in der Bergbausammlung in Rheinhausen entscheiden müssten, wüssten wir alle, wo die Reise hingeht.

Diejenigen aber, die die reale Welt wählen, staunen oft nicht schlecht, denn vermeintlich digitale Features und neue Techniken entpuppen sich hier auf einmal als absoluter Schnee von gestern. Ein wunderbares Beispiel hierfür ist der PIN-Code, der für finanzielle Transaktionen heute nicht mehr wegzudenken ist. Den gab es schon vor gut 100 Jahren, nur eben halbautomatisch.

Bergleute: Zweimal im Monat gab es Lohn

Die Bergleute bekamen zweimal im Monat ihren Lohn und zwar bar, eingetragen in ein Lohnbuch. Damit klar war, dass das Buch auch zum jeweiligen Arbeiter gehört, musste der vor dem Empfang des Geldes mit einer Drehscheibe aus Pappe einen Zahlencode einstellen, damit verifiziert wurde, dass Person und Lohnbuch übereinstimmten. Dann erst wurde das Geld ausgezahlt und schleunigst nach Hause zur Hausfrau getragen.

Selbige prüfte zuallererst, ob die Geldsummer und der eingetragene Betrag noch übereinstimmten, oder der Göttergatte doch auf dem Heimweg durch Zufall „Zum schwarzen Diamanten“ eingekehrt war und um ein paar Promille reicher, aber ein paar Mark ärmer nach Hause kam. „Zum schwarzen Diamanten hießen damals ganz viele Ruhrpottkneipen. Bei uns hat die Letzte vor sechs Jahren zugemacht“, erklärt Winfried Brücksken, 1. Vorsitzender der Bergbausammlung direkt am Wasserturm.

Bergbausammlung Rheinhausen: Lohnbuch, Fördergerüst und Co.

Gemeinsam mit seinen acht Kollegen pflegt er die vielen Exponate und Modelle, die der Verein in der Vergangenheit zusammengetragen beziehungsweise auch selbst gebaut hat. Unter anderem zu sehen sind eben auch besagtes Lohnbuch nebst Drehscheibe. Beides von der Zeche Diergardt-Mevissen, von der die meisten Dokumente stammen. Unbestrittener Star der Ausstellung, die in normalen Zeiten übrigens kostenlos zu sehen ist, ist das Fördergerüst von Diergardt I, das Meisterstück von Hobbymodellbauer Heinz Cordings. Im Maßstab 1:30 veranschaulicht das Exponat die Arbeitsweise des Systems, das ja im originalen Betrieb nicht wirklich zu sehen ist, da es ziemlich schnell in der Erde verschwindet.

Und natürlich lebt die Ausstellung nicht nur von den Grubenlampen, den Förderkörben, Barbarastatuetten und Bergmannskitteln, sondern vielmehr von Brücksken und Co. Alle sind sie ehemalige Bergleute und können Geschichten erzählen von damals, von da unten im Dunkeln, von einer Epoche, die das Ruhrgebiet strukturell geprägt hat wie kaum eine andere Region in Deutschland. „Wenn ich heute Schulklassen frage, wer von den Vätern noch im Bergbau arbeitet, dann hebt niemand den Finger. Wenn ich dann aber nachhake und wissen will, wessen Großvater denn unter Tage war, da komme ich auf eine Trefferquote von ungefähr 60 Prozent“, erzählt Brücksken, der als Frührentner mit 50 Jahren zum Verein stieß.

Duisburger Verein möchte die Jugend begeistern

Trotz Strukturwandel ist die Bergmannstradition noch gar nicht so weit weg, wie es manchmal den Anschein hat. Genau das möchte der pensionierte Bergmann der Jugend vermitteln und führt viele Schulklassen über die 350 Quadratmeter große Ausstellungsfläche. „Besonders begeistert sind die Kinder immer dann, wenn ich anfange, vom Arschleder zu erzählen“, lacht der Rentner und schildert, wie es in den Minen der Schülerinnen und Schüler arbeitet und sie überlegen, ob das jetzt ok ist, dass er „Arsch“ gesagt hat oder nicht. „Für uns ist das absolut in Ordnung, denn das Ding hieß früher nun mal so. Es war dafür da, das Gesäß und den Rücken vor spitzen Steinen zu schützen. Dementsprechend bestand es aus extra dickem Leder und hieß Arschleder.“

Auch der Mutterklotz ist keine despektierliche Anspielung auf die emotionale Befindlichkeit der Hausherrin. „Das war ein Stück Holz, etwa 15 cm lang und einen Zentimeter breit, das Zuhause zum Feuermachen gebraucht und regelmäßig aus der Zeche mit nach Hause genommen wurde“, klärt der Fachmann auch dieses Phänomen auf, das den Menschen früher so geläufig war wie der heutigen Generation das Wort streamen.

Am besten hört man sich nach Corona alle Geschichten von Wilfried Brücksken live an, das macht die Vergangenheit viel spannender und erlebbarer. Übrigens: Wer glaubt, die damaligen PIN-Codes seien sicher gewesen, der irrt. Ganz findige Gesellen haben sich eine zweite Lohnkarte ausstellen lassen und dort dann den Betrag eingetragen, der nach dem Zechgelage noch übrig war und den dann samt Karte zu Hause abgegeben. Getrunken wurde dann mit dem vermeintlich falsch abgerechneten Schwarzgeld.

Bergbausammlung Rheinhausen: Weitere Infos gibt's im Internet

Aufgrund der Corona-Pandemie muss die Bergbausammlung Rheinhausen (Auf dem Berg 9) bis zum 10. Januar 2021 schließen. Weitere Informationen zur Bergbausammlung Rheinhausen gibt es im Internet auf www.bergbausammlung.de