Er diente der Polizei als Spitzel, lieferte brisante Details über die kriminellen Machenschaften des Rockerclubs „Satudarah“: Dennoch wird sich Christian J. jetzt vor dem Landgericht Duisburg wegen seiner Taten verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben, sie wirft ihm mehrere Verstöße gegen das Waffenrecht und das Betäubungsmittelgesetz vor.
Christian J., der 45 Jahre alte gelernte Schweißer aus Dinslaken, der 2011 von den Bandidos zu Satudarah überlief, war der „Sergeant at Arms“ bei den Holland-Rockern. Sein Job: Er war für die Bewaffnung der Rockerbande zuständig. Dieses „Amt“ trug er mit Stolz auf der Brust: Das entsprechende Abzeichen „Sgt. at Arms“ hatte er auf seine Kutte genäht.
Zugekokst im Wald: Wo sind die 800 Gramm Kokain?
Er galt als dritter Mann des Duisburger Satudarah-Chapters, das Keimzelle für die Ausbreitung der Holland-Rocker in der Region war. Die beiden anderen führenden Köpfe, den geständigen Präsident „Ali Osman“ und sein Vize Baris T., hatte das Landgericht bereits zu Jahresbeginn zu Haftstrafen von jeweils mehr als sechs Jahren verurteilt. Schon bei diesem Prozess kam ans Licht, wie auch Christian J. in die Anschläge der Rockerclubs verstrickt war: Die Schüsse mit einer Maschinenpistole auf einen Kiosk in Beeck zum Beispiel sollen laut „Ali Osman“ seinem Schwager gegolten haben.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon lange gegen den 45-Jährigen. Er wurde das erste Mal im August 2013 vernommen. Wie der Duisburger Oberstaatsanwalt im Januar dieses Jahres mitteilte, ermittelte die Behörde wegen der Einfuhr von Drogen „in nicht unerheblicher Menge“. J. soll Rocker-Chapter in Duisburg, Recklinghausen und Mönchengladbach mit Drogen versorgt haben. Dazu soll er Drogen in den Niederlanden gekauft haben. Außerdem soll er zwei Maschinenpistolen Marke Scorpion besorgt haben.
Der Verbleib einer Lieferung von 800 Gramm Kokain ist allerdings bis heute unklar. J. soll den Stoff in Kommission genommen haben. Geld soll aber nie geflossen sein. Dafür soll der 45-Jährige im März 2013 so zugekokst gewesen sein, dass er in einem Wald bei Hünxe als hilflose Person aufgegriffen wurde. Erst jetzt, mehr als ein Jahr nach der Vernehmung, kommt es zur Anklage gegen J.
Fraglich bleibt, wie eng und wie lange die Behörden mit ihrem V-Mann zusammengearbeitet hatten. Waren den Ermittlern die Straftaten bekannt und ließen sie ihn dennoch gewähren? Schon der Anwalt des verurteilten Baris T. stellte in Frage, ob einzelne Straftaten nicht möglicherweise unter „staatlicher Obhut“ erfolgt sind: „Und man muss sich die Frage stellen, warum die Behörden nicht früher eingeschritten sind“, sagte er vor Fernsehkameras.
Selbst der Innenausschuss des NRW-Landtags konnte vor über einem halben Jahr kein Licht in die heikle Angelegenheit bringen: Innenminister Ralf Jäger stufte den Fall unter die Geheimhaltung ein, verwies auf laufende Ermittlungen und zog sich auf den Vertrauensschutz zurück.
Innenminister Jäger: „Gefahr für Leib und Leben“
Die Vertraulichkeit sei beim Einsatz von Vertrauenspersonen und der Inanspruchnahme von Informanten „unerlässlich“ und genieße für die Landesregierung „höchsten Stellenwert“, erklärte Jäger. Und: Durch die Preisgabe der Identität könnten „erhebliche Gefahren für Leib und Leben“ entstehen.
Jäger war es lediglich wichtig, einen Punkt zu betonen: „Wir haben keine verdeckten Ermittler, sondern die Polizei bedient sich Vertrauenspersonen zur Informationsgewinnung“, erklärte der Innenminister. „Das sind keine Beamten, und wir bedienen uns in der Szene auch nicht Menschen, die anstelle der Polizei irgendwelche Ermittlungen betreiben.“
Die Opposition biss sich mit Nachfragen die Zähne aus und ahnte, dass selbst dem Innenausschuss nichts anderes übrig bleibt, als den Prozess gegen Christian J. abzuwarten. „Irgendwann kommt es zu einer Verhandlung und zu einem Urteil“, sagte der CDU-Abgeordnete Gregor Golland. „Das ist ja dann öffentlich, und dann werden wir ja sehen, wer da was gemacht hat.“