Duisburg/Dortmund.. In den 90er-Jahren bauten Chinesen Teile der Dortmunder Westfalenhütte ab und bauten sie in China neu auf. Jetzt wird daraus ein Spielfilm: Der Regisseur Xu Geng erzählt von den Problemen, die die chinesischen Arbeiter damals in Deutschland hatten. Doch an manchen Stellen wird das Thema sehr frei ausgelegt.

Als der Nebel sich endlich verzieht an diesem Duisburger Morgen, da sieht die Siemens-Welt ganz anders aus. Die Straße ist gesperrt, auf den Firmenschildern steht plötzlich „Phoenix Steel“, schwarz auf gelb und mit einer Art Drachensymbol; und eine chinesische Delegation stürmt gerade auf einen deutschen Anzugträger vor dem Haupteingang zu. Neben ihm stehen gefühlskalte Japaner. Gefühlskalte Japaner können chinesische Schauspieler gut.

Doch die Übernahme ist viele Jahre her, um die es hier geht. Diesmal wollen die Chinesen nur spielen. Im Film. Spiel-Film. Er handelt zu der Zeit, als unter den Tränen von Dortmund ein Stahlwerk und eine Kokerei auf Weltreise gingen. Nach China. Im Mittelpunkt steht ein junger Chinese, der dabei ist und Probleme hat in Deutschland. Das kalte Wetter. Das beklagenswerte Essen. Wenn man nicht alles selber macht, abends, im Hotelzimmer, seinen Reis! Hier in Duisburg drehen sie nur eine einzige Szene: Szene 67, Einstellung 4 bis 8. Obige Nummer mit dem Aufsichtsrat. Eine gute Minute Film. Es braucht einen Tag.

Filmdreh Filmen ist Warten

Filmen ist Warten, aber jetzt, wo es in einem multinationalen Team sprachlich manchmal um drei Ecken geht, ist Filmen bohrendes Warten. „Kamera fertig. Camera is ready“, ruft Tanja Steinbrücker, eine Erste Regieassistentin von durchsetzungsstarker Stimmkraft. „Jiji zhunbei“, „Kamera fertig“ die dritte also, raunt es in der Ecke, wo Regisseur Xu Geng sitzt, umgeben von chinesischen Assistentinnen. Während Frau Steinbrücker schon das nächste Verständigungsproblem niederringt: „Can you please stand in position?!“ Nichts passiert. „Dolmetscher!“ Irgendwann filmen sie. Freilich ist jetzt der Monitor von Xu Geng ausgefallen.

Filmen ist Warten, aber wenn man Komparse ist, muss man die Gemütsruhe eines Wackersteins haben. Für sieben Uhr waren sie bestellt als Stahlarbeiter-Darsteller, jetzt ist es zehn und, ehrlich gesagt, braucht sie niemand. „Ich möchte mal sehen, wie so ein Film gedreht wird,“, sagen sie, oder: „Ich bin neugierig, wie das hinter der Kamera abläuft.“ Aber ach: Gedreht wird vor dem zehnstöckigen Siemens-Gebäude, sie aber müssen hinter einem Nebengebäude warten. Stehen redend beisammen, rauchend. Im engeren Sinne passieren tut nichts. Um zwölf sagt der erste: „Ooch, neee.“

 Wirtschaft Die Männer von der „IG Stahl“

Auch scheitert ihr Versuch, herauszufinden, um was es in dem Film eigentlich geht: „Ich kenne nur die deutschen Szenen“, sagt eine Helferin. Was sie gleich spielen sollen, gleich im Sinne von ,Stunden später’, ist irgendwas mit Protest. Man hat ihnen schon Plakate gegeben: „IG Stahl“. „Arbeit statt Schließung“. Da liegen sie.

Also wieder ums Haus rum. Vorne proben die Schauspieler, wie eine chinesische Delegation auf einen deutschen Anzugträger zustürmt. Daneben gefühlskalte Japaner. „Wir gehen zurück auf Anfang“, ruft Tanja Steinbrücker. „Make-up okay?“ „Huazhuang hao le ma?“

Westfalenhütte„Ich stimme für die Chinesen“

Manfred Callsen kennt die Antwort aus dem chinesischen Drehbuch, die die hinter dem Haus nicht erfahren. Callsen spielt den Aufsichtsrats-Chef „Klinse“, auf den die Chinesen zustürmen. Die haben „im Film erst ein grottenschlechtes Angebot gemacht. Das habe ich abgelehnt. Dann kamen die Japaner zum Verhandeln. Zum Schluss gibt es im Aufsichtsrat eine Patt-Situation, und meine Stimme ist ausschlaggebend. Ich stimme für die Chinesen, weil ich erfahren habe, dass auch die Belegschaft hinter den Chinesen steht.“

Ting, xièxie. Aus, danke.

Wir gehen zum Auto. Aus der Ferne, Tanja Steinbrücker, laut: „Wir sind eingerichtet für eine Probe! Rehearsal please, everybody!“