Volker Mosblech und Mahmut Özdemir teilen sich mit zwei Strohhalmen einen grünen, alkoholfreien Cocktail. Den gibt es beim 8. Duisburger Selbsthilfetag in der Fußgängerzone am Stand von „ShAlk“, der Selbsthilfe homosexueller suchtkranker Menschen. Wie es denn schmeckt? „ Nach Kokos“, sagt der CDU-Bürgermeister sofort. „Nach Pfefferminze“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete genauso prompt. „Ist ja auch beides drin“, meint der Cocktailmixer.
Eine bunte Mischung des Duisburger Selbsthilfe-Angebotes präsentierte sich am Samstag in der kleinen Zeltstadt an der Amtsgerichtswiese. 30 Gruppen – von der Adipositas SHG über das Frauengesundheitszentrum und die Prostata SHG bis zum Bundesverband der Organtransplantierten – beweisen, dass gemeinsam mehr zu erreichen ist als im Alleingang.
Etwa 2000 Bürger engagieren sich in Duisburg in 190 Selbsthilfegruppen. Koordiniert und unterstützt werden sie von der Duisburger SH-Kontaktstelle. Die hat ausgerechnet, was die Arbeit der vielen ehrenamtlichen Experten denn wert wäre, wenn sie bezahlt würde. Dabei kam heraus, dass die Aktiven monatlich über 10 000 Stunden in Gespräche, Krankenbesuche, Anträge, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit investieren. Das entspricht der Arbeitszeit von 70 Vollzeitstellen – und würde im Jahr über eine Million Euro kosten.
„Die Selbsthilfe ist längst eine tragende Säule unseres Gesundheitssystems“, sagt Mosblech zur Eröffnung und lobt die Information und Beratung auf Augenhöhe. An den Ständen wird schnell deutlich, dass die Arbeit der meisten Gruppen weit über die Beschäftigung mit der eigenen Befindlichkeit hinausgeht. Die MRSA-Betroffenen kämpfen für ein flächendeckendes Screening nach dem gefährlichen Keim bei der Krankenhausaufnahme und machen auf Hygienemängel in deutschen Kliniken aufmerksam. Die Organtransplantierten arbeiten gegen das von Skandalen verzerrte Bild der lebensrettenden Organspende, auf die jeder eines Tages angewiesen sein könnte.
Die Deutsche Diabetes Hilfe schätzt, dass es in NRW 1,7 Million Diabetiker gibt, allein am Niederrhein sind sie in 19 SH-Gruppen organisiert. Am Stand liegen Karten mit dem Aufdruck „Auge um Auge, Fuß um Fuß“.
„Wieso denn Auge um Auge?“, fragt Mahmut Özdemir. Diabetes-Beraterin Ulla Gastes erklärt ihm, dass Erblindung durch Netzhaut-Einblutungen und diabetisches Fußsyndrom mit Amputationen zwei der vielen Folgeerscheinungen einer unbehandelten Zuckererkrankung sein können.
Die Postkarten sind an Gesundheitsminister Hermann Gröhe adressiert, der etwas für einen nationalen Diabetesplan tun soll.