Wenn sich Friedhelm in die orangefarbene Seifenkiste mit der auffälligen Flammenlackierung an den Seiten hineinkauert, sind außer seinem silbernen Sturzhelm nur noch ein Paar Augenschlitze zu erkennen. Im Rennen muss er diese unbequeme, aber ungeheuer windschnittige Haltung einnehmen – sonst wird es nichts mit der Höchstgeschwindigkeit. Der Zehnjährige hofft auch an diesem Wochenende auf die richtige Aerodynamik. Beim „Duisburger Seifenkisten Derby 2014“, das am Samstag und Sonntag die Massen zum Alsumer Berg locken will, zählt Friedhelm zum Starterfeld.

„Das ist eine Eigenkonstruktion“, sagt Günther Kolodziej und deutet auf die Seifenkiste zu seinen Füßen. Der 75-Jährige ist gelernter Maschinenbauer, hat im beruflichen Alltag über Jahrzehnte elektronische Anlagen für den Bergbau hergestellt. Seit 1966 verwandelt er sich in seiner Freizeit zudem zum Seifenkisten-Konstrukteur aus Leidenschaft. Zunächst im damaligen Großenbaumer Kinderdorf Maria in der Drucht. Inzwischen baut er die fahrbaren Untersätze für die jungen Rennpiloten der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe St. Joseph mit Sitz an der Bismarckstraße in Friemersheim zusammen. Und zu den insgesamt zehn Bewohnern dieser Kinderheimgruppe gehören eben auch die beiden Seifenkisten-Fans Friedhelm und Angelina.

Angelina ist elf. Und sie durfte in ihrer zweijährigen Rennkarriere bestimmt schon 20 Mal in die aus Holz und Kunststoff gefertigten Boliden klettern. „Ich mag die direkte Lenkung und das Fahren in den Kurven“, erzählt sie. Im Gegensatz dazu liebt Friedhelm vor allem das Gefühl der unmittelbar erlebten Geschwindigkeit. In den Seifenkisten sitzen oder liegen die Piloten nur ganze acht Zentimeter über der Straße – also praktisch hautnah auf dem Asphalt. Ein solch tief liegender Schwerpunkt macht den Fahrspaß zu einer ganz besonders rasanten Angelegenheit.

Eine Art Ersatzfamilie

„Das Basteln mit den Kindern ist für mich ein großer Spaß“, begründet Kolodziej sein Engagement. Die vielen, vielen Kinder und Jugendlichen, mit denen er in den vergangenen Jahrzehnten geschraubt hat, sind für den ledigen Mann stets eine Art Ersatzfamilie gewesen.

Einer seiner früheren Mit-Bastler ist Sebastian Cloth. Der 19-Jährige lebte einst selbst in der Friemersheimer Einrichtung. Inzwischen hat er den Sprung ins selbstständige Leben geschafft, hat eine eigene Wohnung und arbeitet fokussiert auf seinen Traumberuf Lokomotivführer hin. Den Kontakt zu St. Joseph hat er aber nie abbrechen lassen. Heute steht er Günther Kolodziej stets als Co-Konstrukteur helfend zur Seite. Und auch am Sonntag, wenn Angelina und Friedhelm auf die Piste am Alsumer Berg in Marxloh gehen, wird der junge Mann wieder helfend zur Seite stehen. Denn so eine Seifenkiste wird vor dem Abtransport im Anhänger stets in ihre Einzelteile zerlegt. Und am Ziel angekommen, muss sie natürlich dann auch wieder zusammengesetzt werden. Im Gegensatz zu früher fährt Sebastian nun nicht mehr.
Und Günther Kolodziej, der Konstrukteurs-Routinier, hat selbst sogar noch nie in einer Seifenkiste gesessen.