Duisburg. Gregor Schneiders Installation „Totlast“ hatte nicht plakativ die Loveparade-Katastrophe zum Thema. Das Verbot von Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link stößt nicht zuletzt in der Stadt größtenteils auf Unverständnis. Bundesweit ist die Verwunderung über die Zensur des Politikers groß.

Große Enttäuschung beim Künstler, Empörung beim Intendanten der Ruhrtriennale, bundesweite Verwunderung: Das sind die Reaktionen auf das Verbot der Installation „Totlast“ von Gregor Schneider im Lehmbruck-Museum und Kant-Park durch Oberbürgermeister Sören Link.

Nicht nur die kurzfristige Absage schmerzt den Künstler: „Ich habe alles mit Modellen vorgestellt.“ Er habe der Stadt Duisburg „ein Riesengeschenk“ machen wollen, so der 45-Jährige, der aus Rheydt stammt. Schneider habe eine „sehr innige“ Beziehung zu Duisburg, es sei sein großer Wunsch gewesen, in diesem bedeutenden Skulpturen-Museum ausstellen zu können, so Ruhrtriennale-Sprecher Hendrik von Boxberg. Wie intensiv sich Schneider mit der Stadt beschäftigt hat, habe etwa der Raum im Röhrensystem deutlich gemacht, der wie ein Abbruchhaus in Bruckhausen gestaltet war.

Das Thema der Installation war also keineswegs ausschließlich – und schon gar nicht plakativ – die Loveparade-Katastrophe; mit ihr hätte man nur das Gefühl verknüpfen können, das in engen, unübersichtlichen Röhren entsteht. Möglicherweise hätte sich beim Verlassen der Röhren in den grünen Kant-Park dann ein Gefühl der Erleichterung eingestellt. Aber das liegt ganz im Bereich der persönlichen Empfindungen. Deswegen hatte Triennale-Intendant Heiner Goebbels auch das Verbot von OB Link so scharf kritisiert als „Affront gegen die Freiheit der Kunst und gegen die Offenheit von Kunsterfahrung“.

„Museum bloßgestellt“

Angst in engen Räumen ist ein Thema Schneiders, das er bereits in Madrid bearbeitet hat; dort habe es keine Panikattacken von Besuchern gegeben. Für Duisburg hätten die Röhren einen größeren Durchmesser von 2,20 Metern gehabt. Schneider, der am der Kunstakademie München Professor ist, hatte 2001 den Goldenen Löwen der Biennale in Venedig gewonnen.

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Link müsse sich fragen lassen, „warum er ein bereits vor drei Jahren verwirklichtes und in Duisburg seit November 2013 vorbereitetes Projekt eines namhaften Künstlers in letzter Sekunde widerruft – und damit auch das städtische Museum bloßstellt, das sich immerhin Zentrum internationaler Skulptur nennt“, schreibt Georg Imdahl in der „Süddeutschen Zeitung“, die in ihrer Dienstags-Ausgabe auf der Seite 1 ihres Feuilletons ebenso über die Absage berichtete wie die „FAZ“ unter dem Titel „Duisburgs Totlast“.

Aber auch Radiosender und weitere Tageszeitung im ganzen Land berichteten über das Kunstverbot in Duisburg. Es stößt nicht zuletzt innerhalb der Stadt größtenteils auf Unverständnis, wie wir berichteten. Die Reaktionen unserer Leser zeigen, wie umstritten die Entscheidung des OB ist.

Von „Respekt“ bis „Schmach“ - Lesermeinungen zur Kunst-Zensur 

Mit Respekt habe ich die Entscheidung des Oberbürgermeisters, Herrn Link, zu dem Kunstwerk, das sich mit der Katastrophe der Love-Parade auseinandersetzt, entgegengenommen. Ich teile diese Entscheidung nicht, bitte aber gleichwohl die Gegner der Entscheidung, sprachlich abzurüsten; Begriffe wie „Zensur“, „Patriarchen-Geste“ und „Anmaßend“ machen ja nur Sinn, wenn diese Diskreditierung des Oberbürgermeisters die öffentliche Debatte ersetzen soll. Das hat die Debatte im öffentlichen Raum um Kunst nicht verdient, das hat die Ruhrtriennale nicht verdient, und das haben schon gar nicht die Duisburger verdient, denen der OB aus dem Herzen spricht. Liebe Kulturschaffende, der kategorische Imperativ von Kant ist nicht selektierbar oder einfach ausgedrückt, so wie es der Volksmund täte: „Was Du nicht willst, was man Dir zufügt, das füg auch keinem anderen zu“. Peter Gasse, Duisburg

Auf dem Wege über Loveparade, Oper, Traumzeitfestival, Küppersmühle, Landesarchiv nähern sich Duisburg und Desaster immer rascher zu begrifflicher Identität. Das Verbot der Kunstinstallation von G. Schneider durch OB Link reiht sich in diese Chronologie nahtlos ein, ist sowohl skandalös als auch aufschlussreich. Ich möchte Herrn Link gemäß Bertolt Brecht empfehlen, sich doch bitte schön ein anderes Duisburger Volk zu wählen. Man muss sich wirklich fragen, warum wir Duisburger seit Jahren mit einer Obrigkeit geschlagen sind, die noch nicht mal merkt, wie sehr sie sich selbst dem bundesweiten Gespött aussetzt. Ein klassischer Bumerang, der nur einen Schluss zulässt: Sören Link ist noch nicht reif für Duisburg. Er sollte den Weg seines Vorgängers gehen. Eckart Pressler, Duisburg

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, ich protestiere gegen Ihre Entscheidung, die Installation „Totlast“ zu verbieten. In meinen Augen überschreiten Sie damit ihre Kompetenz bei Weitem. Der eigentliche Skandal ist doch, dass wir selbst vier Jahre nach dem Ereignis „noch ganz am Anfang der juristischen Aufarbeitung“ stehen! Und nicht, dass sich Künstler mit dem Thema beschäftigen!!! Sollten Sie wirklich als Zensor in die Annalen der Stadt eingehen wollen, dann sollten Sie konsequenterweise auch danach trachten, alle Fernseh-, Radio-, Zeitungs- und sonstigen Berichte und Dokumentationen über diese – seinerzeit von der Stadtverwaltung, der Polizei und dem Veranstalter in Kauf genommene – Duisburger Schmach zu verbieten.

Nehmen Sie dieses Verbot zurück und belegen Sie so, dass Sie ein aufrechter, kritisch denkender Demokrat sind, für den ich Sie seit Ihrer Wahl gehalten habe, und bewahren Sie so unsere Stadt vor einer weiteren Schmach! Horst S. Martin, Duisburg