Duisburg. . Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link übt Zensur bei der Ruhrtriennale: Er glaubt, dass die Installation “Totlast“ des Raum-Künstlers Gregor Schneider im Lehmbruck-Museum Wunden der Loveparade-Katastrophe berühre. Duisburg sei “noch nicht reif“ dafür. Dafür erntet er teils heftige Kritik.

Oberbürgermeister Sören Link (SPD) hat ein Kunstprojekt der Ruhrtriennale verboten: Die Installation „Totlast“, die der renommierte Künstler Gregor Schneider seit sieben Monaten für das Lehmbruck-Museum vorbereitet hat, darf nicht realisiert werden. Der 1969 in Rheydt geborene Künstler arbeitet mit Räumen in vorhandenen Räumen, die er auf verwirrende Weise verändert.

Im Museum und im Kant-Park sollte ein Röhrensystem entstehen, das verschiedene Räume miteinander verbindet. Ein Teil der Arbeit sollte durch die geringe Durchgangshöhe und starke Wendungen beim Besucher das Gefühl von Enge und Verwirrung auch körperlich spürbar machen – Hinweis auf die Loveparade-Katastrophe. Auf Bedenken der Bauordnung war der Künstler eingegangen, hatte unter anderem Notausgänge und den Brandschutz berücksichtigt.

Für OB Link aber waren andere Gründe ausschlaggebend. „Die Wunden der Loveparade sind noch nicht geschlossen. Die juristische Aufarbeitung der Geschehnisse steht noch ganz am Anfang. Duisburg ist noch nicht reif für ein Kunstwerk, dem Verwirrungs- und Paniksituationen immanent sind, welches mit dem Moment der Orientierungslosigkeit spielt.“ Er bedauere, dass die Entscheidung „am Ende eines Prozesses“ stehe; er habe sich beim Ruhrtriennale-Intendanten Heiner Goebbels für die kurzfristige Absage entschuldigt, so der OB.

"Ein sehr ungewöhnlicher, empörender Vorgang"

Ein Fall von Zensur

Die Loveparade-Katastrophe ist ein Duisburger Trauma. Traumata überwindet man nicht, indem man das Geschehen ausblendet. Niemand wäre gezwungen gewesen, sich diesem vielleicht schmerzhaftem Werk von Gregor Schneider auszusetzen. Dass ausgerechnet Oberbürgermeister Sören Link, der sich bislang so entschieden für die Aufarbeitung dieser Katastrophe eingesetzt hat, mit seinem späten Nein zum Kunst- Zensor wird, ist eine bittere Enttäuschung.

Er schwingt sich in seltsamer Patriarchen-Geste auf zu behaupten, Duisburg sei „noch nicht reif“ für dieses Werk. Das zu beurteilen, soll er doch, bitteschön, den Duisburgern überlassen. Wieder steht die Stadt bundesweit ganz schlecht da. Und diesen Skandal hat der Oberbürgermeister ganz persönlich zu verantworten.

„Der Künstler, das künstlerische Team der Ruhrtriennale und das Museum kritisieren diesen Vorgang entschieden“, heißt es in einer Erklärung der Ruhrtriennale. Sprecher Hendrik von Boxberg: „Ein sehr ungewöhnlicher, empörender Vorgang.“ Duisburg bilde mit dem Landschaftspark Nord in diesem Jahr einen Schwerpunkt im Programm der Ruhrtriennale. „Umso schöner“ wäre es gewesen, auch mit einem Werk im Lehmbruck-Museum vertreten zu sein. Der Künstler, der sich bei einem Besuch im Mai noch sehr zurückhaltend zu seinen Plänen geäußert hatte, habe sich sehr auf die Arbeit gefreut, so von Boxberg. Inzwischen habe die Stadt Bochum Interesse an einer Übernahme gezeigt.

Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla nannte die Absage der Skulptur „eine große Enttäuschung“ und einen „großen Verlust für das Lehmbruck-Museum“. Sie zeigte aber zugleich Verständnis: Schneider habe mit seinem Werk „auch eine offene Wunde der Stadt Duisburg“ berührt. Es sei offensichtlich noch zu früh ist für dieses Werk in Duisburg.

Reaktionen zeigen Unverständnis 

Von „Respekt“ bei der SPD bis hin zu völligem Unverständnis reichen die ersten Reaktionen auf die von Oberbürgermeister Sören Link geübte Zensur. „Das ist anmaßend“, sagt der Künstler Gerhard Losemann, der das Loveparade-Mahnmal geschaffen hat. „Dann hätte man mein Mahnmal auch nicht aufstellen dürfen“, sagt Losemann mit Blick auf die Entscheidung, die Installation von Gregor Schneider zu verbieten. Die künstlerische Auseinandersetzung „müssen wir ertragen können“. Kunst habe ihren Freiraum, der erhalten bleiben müsse und nicht von der Politik eingeschränkt werden dürfe.

Deutliche Worte kommen auch von Dirk Krämer und Klaus Maas, Gründer des Museums DKM. Die Absage sei „eine massive Herabwürdigung der Kunst- und Museumsszene Duisburgs“. Die Ruhrtriennale habe „ein bewusstes Zeichen für Duisburg gesetzt, das nun mit nicht nachvollziehbaren Begründungen von der Stadt abgelehnt wird“.

Entscheidung sei "unangemessen"

Krämer und Maas, die eine Arbeit von Schneider 2002 in der DKM-Galerie im Innenhafen gezeigt haben, verweisen auf andere Projekte des Künstlers: „Was im Kölner Schauspielhaus zurzeit unter Einhaltung aller denkbaren Sicherungen möglich ist, was 2001 in Venedig unter riesiger positiver Anteilnahme des kunstverständigen Publikums möglich war, was mit der Synagoge Stommeln seit vergangener Woche realisierbar ist, kann man den Duisburgern nicht zumuten?“ Schneider sei ein „durchaus liebenswerter und sympathischer Künstler“, der ganz neue Fragestellungen in den internationalen Kunstbetrieb eingebracht hat. „Wir kennen aus der aktuellen Politik der Stadt Zumutungen ganz anderer Art, vor denen wir auch nicht geschützt werden müssen.“ Und dem Lehmbruck-Museum werde mit dieser Entscheidung „jegliche Kompetenz für notwendige künstlerische Fragestellungen entzogen“.

„Unverständlich“ nennt der bisherige Vorsitzende des Kulturausschusses, Frank Albrecht (FDP), den Zeitpunkt der Entscheidung von Sören Link. Und „unangemessen“. Schließlich eigne sich Kunst sehr wohl, sich mit dem Thema vielschichtig auseinanderzusetzen. „Das geht über die Loveparade hinaus.“ Der künftige Vorsitzende Udo Vohl (SPD) „respektiert“ die Entscheidung, wundert sich aber, dass das kein Thema im Museums-Kuratorium gewesen sei.