Ein Sommerurlaub ohne Lesefutter? Kaum denkbar für Bücherfreunde. Bibliothekarin Christine Bals hat aus der Vielzahl schöner Bücher, die in diesem Jahr erschienen sind, sechs heraus gesucht, die sie empfehlen kann.
Freundschaft und Sehnsucht
Anna Baran ist als Kind in den 90er Jahren mit ihren Eltern in die USA emigriert. Als Jugendliche verbringt sie unbeschwerte Sommerferien bei ihrer Großmutter in der polnischen Heimat, wo sie Freundschaft schließt mit Kamila und Justyna. Doch dann verlieren sie sich aus den Augen, Anna macht Karriere als Schauspielerin in Amerika, die beiden anderen bleiben in Polen. Erst durch ein tragisches Unglück nehmen sie wieder Kontakt auf und bemerken, dass ihr Leben ins Stocken geraten ist. Ein frischer und lebendiger Roman über Freundschaft, Sehnsucht, Scheitern und Neuanfang für einen heißen Sommertag am See.
Tango und Leben
Neuseeland, 1916: Louise versteckt den fälschlicherweise für einen Deutschen gehaltenen Klavierstimmer Paul in einer Höhle. Hier lehrt er sie das Tangotanzen. Ihre Wege trennen sich, Paul geht nach Argentinien, wo er eine Familie gründet. Doch der Tango lässt beide nicht los, und Louise folgt ihm nach Buenos Aires, um bei ihm zu sein – und mit ihm zu tanzen. Auch Pauls Enkelin Rosa liebt den Tango. Nachts tanzt sie in ihrem Restaurant mit Tellerwäscher Lionel, wie es einst der Großvater machte. Der Autor baut seine Hommage an den Tango und das Leben auf zwei Ebenen auf, die er kunstvoll miteinander zu einer bezaubernden und zugleich tragischen Liebesgeschichte verknüpft.
Schein und Sein
Die 16-jährige Sarah Kunitz lebt mit ihren drei Brüdern und den Eltern in einem schicken Vorort von Boston. Der Vater ist ein anerkannter Literaturprofessor, die Mutter hat ihre Karriere als Violinistin zugunsten der Familie aufgegeben. Nach außen eine Bilderbuchfamilie, doch hinter der Fassade brodelt es heftig. Alle leiden unter den Wutanfällen des Vaters, die Mutter betäubt sich mit Tabletten und Alkohol. Als sie bei einem Autounfall ums Leben kommt, bleibt eine traumatisierte Restfamilie zurück. Letztendlich ist es die Musik, die Sarah hilft, wieder ins Leben zu finden. Fast zwei Jahrzehnte schrieb die Autorin an ihrem Erstlingswerk, das mit erstaunlicher Leichtigkeit und starken Bildern überzeugt.
Grauen und Humor
August 1914, ein idyllischer Sommertag in der Vendée. Dann läuten die Sturmglocken – allgemeine Mobilmachung in Frankreich. Anthime und seine Kameraden gehören zu den jungen Männern, die gleich nach Kriegsausbruch einberufen und völlig unvorbereitet in die Realität des 1. Weltkriegs geworfen werden. Auf bewundernswerte Weise gelingt es dem Autor, trotz grausamer Schilderungen seinen leichten, humorvollen, bisweilen melancholischen Ton beizubehalten. Politische Hintergründe spielen keine Rolle, vielmehr spiegeln sich in den vier im Zeitraffer geschilderten Jahren die existenziellen Erfahrungen des Einzelnen und der Gegensatz zwischen Banalitäten des Alltags. Ein beeindruckendes Buch zum 100. Jahrestag des 1. Weltkriegs.