Helm auf und antreten! Diese Vorgehensweise wird für Radfahrer nun doch keine Pflicht, nachdem der Bundesgerichtshof am Dienstag beschieden hat, dass auch unbehelmten Radlern der volle Schadensersatz bei Unfällen zusteht, die sie nicht selbst verschuldet haben (wir berichteten). Helm oder nicht Helm, das ist hier die Frage. Und die stellte die NRZ drei Profis aus Duisburg, die seit Jahren ein- oder mehrtägige Radtouren anbieten.
Günther Tullius (69), der seit 12 Jahren mit dem Rad auf Tour geht, ist Mitglied im ADFC, dessen Bundesverband die Klage der geschädigten Radfahrerin auf vollen Schadensersatz unterstützte. „Der ADFC ist gegen die Pflicht, aber für den Helm. Das war für mich immer ein Widerspruch. Aber Statistiken aus Ländern, die eine Helmpflicht eingeführt haben, zeigen, dass die Zahl der Radler dann umgehend sinkt. Das ist nicht in unserem Sinne“, sagt Tullius. Er selbst trage seit zwei Jahren einen Helm beim Radeln. Doch im Frühjahr fahre er lieber mit Mütze. „Als Allergiker ist das nicht lustig, wenn die Pollen durch die Lüftungsschlitze des Helms dringen und man dann juckende Beulen auf dem Kopf hat.“
Seinen Tour-Teilnehmern stellt er die Entscheidung frei: „Das sollte man jedem selbst überlassen. Wir fahren im Schnitt 15 bis 16 Km/h, wenn sie bei dem Tempo mit einem Auto kollidieren, hilft der Helm wenig. Nützen kann er allerdings, wenn man mal umkippt, weil die Leute sich in Gruppen auch schon mal gegenseitig umkegeln. Da schützt der Helm schon gegen einen gefährlichen Aufprall auf eine Bordsteinkante. In der riesengroßen Radlerfamilie meiner Teilnehmer nehmen die Helme aber immer mehr zu, genau wie die E-Bikes.“
Das gehört nach Meinung von Brunhilde Böhls auch unbedingt zusammen. Die 55-Jährige ist ausgebildete Gästeführerin und bietet geführte Radtouren und Exkursionen touristischer Art für die VHS, sowie im Rahmen des Stadtmarketings an, zudem koordiniert sie die Fahrradinitiative der Universität Duisburg-Essen. Dabei kooperiert sie auch öfter mit den Stadtwerken, die ihre Pedelecs samt Helmen zur Verfügung stellen.
Den Fahrtwind spüren
„Da sind Helme auch sehr sinnvoll“, betont Brunhilde Böhls. „Pedelecs können eine Spitzengeschwindigkeit von 24 Stundenkilometern erreichen, E-Bikes sogar bis zu 30. Viele ältere Leute, die sich sonst das Radfahren nicht mehr zutrauen, steigen aber zunehmend gerne auf ein Pedelec. Doch sie unterschätzen nicht selten das Tempo, das diese Räder machen können, und oft wird dann auch der Bremsweg falsch eingeschätzt.“ Deshalb trägt auch die Gästeführerin den Helm, wenn sie mit einer Pedelc-Gruppe auf Tour geht.
Schwingt sie sich aber auf ein herkömmliches Fahrrad, verzichte sie gerne auf den Helm. „In der Natur zu sein und den Fahrtwind zu spüren, das genieße ich doch sehr.“ Persönlich ist Brunhilde Böhls gegen die Helmpflicht: „In Ländern, wo die Pflicht eingeführt wurde, ging die Zahl der Radler zurück, aber nicht die der Unfälle.“ Sie hingegen plädiert für eine Verbesserung der Infrastruktur sowie mehr gegenseitige Rücksichtnahme unter Radlern, Fußgängern und Autofahrern.
Heinz Zander (73), seit 1983 bei Touren auf dem Rad vorneweg, nennt sich selbst den Alt-Senior unter den Anbietern geführter Tages- und Mehrtagestouren. Er und seine Frau Waltraud (73) sind bekennende Helm-Muffel. „Natürlich haben wir eine Vorbildfunktion für Kinder. Ich habe auch immer ein schlechtes Gewissen in deren Beisein, aber ich bin einfach nicht daran gewöhnt, einen Helm zu tragen. Und meine Frau lehnt das ab. Wenn eine Pflicht eingeführt würde, ließe sie lieber das Rad stehen.“
„Ich fahr dann nur noch in Holland“, erklärt Waltraud Zander kategorisch. „Durch eine Helmpflicht würde ich mich wie viele andere eingeengt und bevormundet fühlen.“ Seine Touren-Teilnehmer lässt Heinz Zander selbst entscheiden. „Manche fragen mich vor der Tour: Muss ich mich jetzt verkleiden?“, lacht Zander. Aber mit 13 Km/h werde auch im recht gemäßigten Tempo geradelt. „Wir fahren so langsam, dass wir manchmal von Joggern überholt werden. Da frage ich mich immer, warum die keine Helme tragen müssen.“