In der ausverkauften Halle des Kolumbariums an der Wintgensstraße geht das Licht aus. Nur vor den belegten Urnen-Fächern flackern noch die ewigen Lichter in der LED-Version. Drei Scheinwerfer flammen auf und beleuchten eine Parkbank. Da sitzt der Tod und sinniert darüber, dass er den ewigen Bereitschaftsdienst satt hat. 94 Menschen pro Stunde sterben in Deutschland Tag und Nacht. Ein echter Knochenjob! Aber auch das personifizierte Leben lässt sich auf der Bank nieder – und entdeckt einen Totenschädel neben sich. „Warten sie hier schon länger?“, fragt es irritiert.

„Seitenwechsel“ heißt das selbstentwickelte Stück der Oberhausener Schauspieler Ändi Hußmann und Michael Weier. Um Tod und Leben geht es in der Collage aus Spielszenen, Aphorismen, Grabinschriften, Gedichten und Musik. Dabei darf durchaus gekichert werden. „Hier ruht mein Weib in ihrer düsteren Grabeshöhle, wir waren oft ein Leib – und niemals eine Seele“, zitiert der eine einen ehrlichen Witwer, und der andere setzt noch eine Friedhofsgeschichte drauf: „Auf der letzten Beerdigung war es so windig, dass das Sarggesteck fliegen ging. Eine Frau fing es instinktiv auf und sagte: Huch, dann bin ich ja die Nächste.“

Zwei Seiten einer Medaille

Ob das Leben eigentlich nur eine Unterbrechung des Totseins ist, wie Heinz Erhardt meinte, oder ob Leben und Tod zusammengehören wie zwei Seiten einer Medaille, das loten die Akteure mit einer ganz eigenen Mischung aus schwarzem Humor und Zartgefühl aus. Dabei nimmt an der Bar jeder einen kräftigen Schluck vom Cocktail des anderen. Das Leben trinkt übrigens „Sex on the beach“, der Tod bevorzugt einen „Sundowner“.

Das Stück regt an, in der Pause gibt es unter den Zuschauern lebhafte Diskussionen über den Tod. Eine Frau erzählt, dass sie mit ihrem Mann, auch als er schon im Sterben lag, ab und zu herzlich lachen konnte. Die Erinnerung zaubert ihr ein Lächeln ins Gesicht.

Für den Bestatter Friedhelm Jung ist der Seitenwechsel zwischen Tod und Leben Berufsalltag. Er betreibt den Indoor-Friedhof in der entwidmeten evangelischen Kirche und hat den ungewöhnlichen Kulturabend organisiert. Auf die Frage, wie viele Leute ins Kolumbarium passen, fragt er zurück: „Meinen sie jetzt die Lebenden oder die Toten?“

Zum Ende des Stückes spielt der Pianist Marius Furche „Always look on the bright side of life“. Die etwa 100 Zuschauer sind in Stimmung. Es wird mitgepfiffen und gewippt. Zum Schlussapplaus stehen alle auf. Am Ausgang gibt es für jeden ein Lebenslicht mit auf den Heimweg. Jung ist froh über den Erfolg. Das was sicher nicht der letzte Kulturabend, zu dem er Lebende und die Tote unter einem Dach versammelt hat.