Wenn die knapp 366.000 Wähler am Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen sind, werden sie auf einen eher müden Wahlkampf zurückblicken. Es gab nur vereinzelt Themen, an denen sich die Parteien gerieben haben, an denen sich ein scharfes Profil herausgeschält hat. Wer die Wahlprogramme durchforstet, trifft auf viele Gemeinsamkeiten, auf eine lange Liste an Aussagen, die wohl jede Partei unterschreiben würde, und auf noch mehr Versprechen, bei denen man meist vergeblich Hinweise sucht, wie sie sich denn finanzieren lassen.

Das große Wortgefecht, der mit harschen Äußerungen geführte Wahlkampf blieb aus, selbst in der angeblich „heißen“ Phase, die vielmehr lauwarm dahin tröpfelte. Vor allem die etablierten Parteien sind darauf bedacht, kurz vor dem Wahltermin keine Fehler zu machen. Sie versuchen sich allenfalls mit bildstarken Aktionen noch einmal ins rechte Licht zu rücken.

Hübsche Bilder, wenig Zündstoff

Wie zum Beispiel die Bündnisgrünen, die am Mittwochabend symbolisch die seit fast fünf Jahren bestehende Baugrube für das geplante Marientor-Carree zugeschüttet haben und dort Sonnenblumen pflanzten; verbunden mit der Forderung von Spitzenkandidatin Claudia Leiße, dass die Stadt den Grundstücksverkauf umgehend rückgängig machen und einen Plan zur Zwischennutzung entwickeln müsse.

Oder OB Sören Link, dessen Konterfei zwar die SPD-Plakate schmückt, der aber bekanntlich nicht zur Wahl steht, und gestern Schützenhilfe für den Düsseldorfer Parteifreund und dortigen OB-Kandidaten Thomas Geisel leistete. Hoch oben auf dem Rheinturm gesellten sich Link, Geisel und der Kölner OB Jürgen Roters zum Gruppenbild und symbolisierten damit den städteübergreifenden Schulterschluss auf der Rheinschiene. Die Wahlkampf-Botschaft: Gemeinsamkeit statt Zwietracht unter den Stadtspitzen, was den Kontrast zum amtieren CDU-OB Dirk Elbers bildet, der das Umland und besonders das Ruhrgebiet mit seinen Grenz-Plakaten „Sie verlassen die schuldenfreie Zone“ und seinem Satz „Da möchte ich nicht tot über dem Zaun hängen“ verspottet hatte.

Und in Duisburg selbst? Bieten Europa-, Kommunal- und Integrationswahl etwa nicht genug Zündstoff für den oft zitierten „heißen“ Wahlkampf? Die Aufreger jedenfalls konzentrieren sich allenfalls auf zwei Plakatmotive: Voran die CDU, die mit dem Bild des vermüllten „Problemhauses“ gegen Missstände wettert, sich offenbar von anderen Parteien rechts außen nicht überholen lassen will und trotz massiver Kritik bis zum Schluss an der Armutszuwanderung als Wahlkampfthema festhält. Zuletzt sah sich CDU-Spitzenkandidat Rainer Enzweiler zu Unrecht von Rot-Rot-Grün „in die rechte Ecke gestellt“, verwies auf die jüngste Stellungnahme des EU-Generalanwalts zum Hartz IV-Anspruch und bekräftigte erneut, dass EU-Ausländer, die Sozialleistungen unrechtmäßig erschlichen haben, ausgewiesen und mit einer Wiedereinreisesperre belegt werden sollten.

Die Zuwanderung war gewiss eines der dominierenden Themen im Wahlkampf, vor allem bei den zahlreichen Podiumsdiskussionen. Vor allem, weil sie die Stadt nachhaltig beschäftigt, aber auch, weil die Ursache für die Problemlage vor Ort in der EU-Freizügigkeit liegt und daher eine thematische Klammer zur gleichzeitig stattfindenden Europawahl bildet.

Das zweite Plakatmotiv, das für Schlagzeilen sorgte, war das Bild von Alt-OB Josef Krings, bei dem die SPD auf den Prominenz-Faktor hoffte, was durch die Fahrten des beliebten Alt-OB ohne Führerschein aber nach hinten los ging — und jetzt durch den Zusatz „Wir fahren sie gerne ins Wahllokal und wieder zurück“ für weiteres Gespött sorgt.

98 Prozent mehr Briefwähler

Dass es in der entscheidenden Phase des Wahlkampfes nicht so hoch her geht wie erwartet, wird aber vor allem an der mangelnden Personalisierung liegen: Anders als bei einer OB-Wahl gibt es kein Kopf-an-Kopf-Rennen, es gibt kein Gesicht, dem man fortwährend folgen kann, die Konzentration auf dominierende oder markante Akteure geht in dem breiten Feld der knapp 600 Ratskandidaten schlicht unter.

Dass die Wahlbeteiligung deshalb nicht weiter absinkt, dazu gibt zumindest die Zahl der Briefwähler Hoffnung: 38.019 haben bis gestern vorab ihre Kommunalwahl-Stimme abgegeben, das ist ein Plus von rund fünf Prozent. Bei der Europawahl sind es mit 36.357 Briefwählern sogar doppelt so viele (+98%) wie bei der letzten Wahl.