Kurz vor dem Tag der Arbeit entbrennt eine Debatte um den geplanten Mindestlohn: Den Gewerkschaften sind vor allem die Ausnahmen ein Dorn im Auge. So würde für 14.820 Langzeitarbeitslose in Duisburg der gesetzliche Mindestlohn nicht gelten, beklagt unter anderem die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Wenn Langzeitarbeitslose einen neuen Job finden, dürfen Chefs ihnen deutlich weniger zahlen als 8,50 Euro die Stunde. Und das sechs Monate lang – ein Unding“, sagt NGG-Geschäftsführer Hans-Jürgen Hufer.

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro ab 2015 sei zwar generell „ein großer Erfolg“, weil zahlreiche Beschäftigte – insbesondere im Bäckerhandwerk und bei den Backshops – profitieren. Bei den Ausnahmen müsse der Gesetzentwurf aber in den kommenden Wochen bei den Beratungen im Bundestag nachgebessert werden. Für Hufer gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, Langzeitarbeitslose von der geplanten einheitlichen Lohnuntergrenze auszunehmen. Damit werde der Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ unterlaufen.

Wenn es bei der Ausnahme bliebe, drohe ein regelrechter „Drehtür-Effekt“: Langzeitarbeitslose würden für sechs Monate zu Dumpinglöhnen beschäftigt und von Betrieben anschließend wieder nach Hause geschickt. „Wenn Ausnahmen erlaubt sind, dann werden sie auch schamlos genutzt“, fürchtet Hufer.

Auch in anderen Branchen ist dieser Punkt ein Thema: Die IG Bauen-Agrar-Umwelt macht die Mindestlohn-Ausnahme für Langzeitarbeitslosen ebenfalls am Tag der Arbeit zum Thema. „Am 1. Mai hören die Politiker genau hin, was wir fordern“, sagt Friedhelm Bierkant, Vorsitzender der IG BAU Duisburg-Niederrhein.

Die Gewerkschaften haben einen entsprechenden Appell an die Bundestagsabgeordneten aus der Region verschickt. „Die Ausnahmen waren nicht unser Wunsch, sondern eine zentrale Forderung der CDU. Letztlich ist der Gesetzentwurf ein Kompromiss“, erklärt die Duisburger SPD-Abgeordnete Bärbel Bas auf NRZ-Nachfrage. Den kritisierten „Drehtür-Effekt“ könne sie allerdings nicht erkennen. „In den Branchen, in denen ein Mindestlohn festgelegt wurde, zum Beispiel in der Zeitarbeit, gilt er auch für Langzeitarbeitslose. Das wird oft vergessen“, sagt Bas. Zudem seien im vergangenen Jahr bundesweit überhaupt nur 170.000 Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden, ein Drittel leiden unter psychischen Erkrankungen, ein Drittel sei seit vier Jahren arbeitslos und über 50 Jahre alt, ein weiteres Drittel könne nur über die sogenannte Bürgerarbeit oder weitere Fördermaßnahmen in den Arbeitsmarkt gelangen. „Gerade für Duisburg halte ich deshalb einen geförderten, zweiten Arbeitsmarkt für wichtiger.“

Der jetzige Gesetzentwurf enthalte zudem eine Überprüfungsklausel, sagt Bas: „Sollte es tatsächlich zu den befürchteten Effekten kommen, haben wir 2016 die Möglichkeit nachzusteuern.“