Wie weit würde der viel diskutierte „Schlagloch-Soli“ für Autofahrer überhaupt in Duisburg reichen? Immerhin sind im Stadtgebiet rund 250 Kilometer Straße erneuerungsbedürftig. Die NRZ hat mit den Stadtplanern im Rathaus nachgerechnet, was eine solche Infrastrukturabgabe bringen würde.
Schlaglöcher sind mitunter tief, das Loch in der Kasse für die nötigen Reparaturen ist aber in jedem Fall tiefer. Mit seinem umstrittenen Vorschlag eines „Schlagloch-Soli“ von 100 Euro im Jahr für alle Autofahrer bestimmte Torsten Albig die Schlagzeilen in dieser Woche. Doch würde das Geld überhaupt ausreichen, um zum Beispiel die Straßen in Duisburg wieder auf Vordermann zu bringen?
Die Rechnung ist nicht schwer: Rund 250.000 Kraftfahrzeuge sind in Duisburg angemeldet, würden die Halter tatsächlich mit 100 Euro zur Kasse gebeten, stünden unter dem Strich also 25 Millionen Euro zur Verfügung. Doch wie viel neuer Teer lässt sich damit überhaupt auf die maroden Straßen bringen?
Ein Quadratmeter kostet 150 Euro
Das Amt für Stadtentwicklung hat für die NRZ eine Modellrechnung aufgestellt, um den Deckungsgrad einer Infrastrukturabgabe durchzuspielen: Rund 20 Prozent der Duisburger Straßen sind in einem erneuerungsbedürftigen Zustand, das entspricht etwa 250 Kilometer. Bei einer angenommenen mittleren Straßenbreite von 7,5 Metern ergibt das 1,875 Millionen Quadratmeter. Ein Vollausbau von einem Quadratmeter Straße kostet rund 150 Euro, demnach würde die Sanierung der maroden Straßen rund 281,25 Millionen Euro kosten.
Bedeutet: Wenn es im Jahr zusätzliche Einnahmen von 25 Mio Euro gibt, ließen sich in elf bis zwölf Jahren die schlechtesten Straßen im Stadtgebiet komplett erneuern. Für Duisburg hätte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig also mit seiner Soli-Höhe eine Punktlandung gemeistert — sofern man sich mit der Sanierung so lange Zeit lassen will und alle anderen Bauwerke außer Acht lässt. Denn die Stadtentwickler im Rathaus weisen zwar darauf hin, dass ihrer Rechnung ein sehr hoher Erneuerungsstandard zu Grund liegt, gleichzeitig aber noch keine Mittel in Brücken oder sonstige Infrastruktur geflossen sind.
Die Rechnung ohne die Brücken gemacht
Wie hoch die Kosten etwa für eine Instandsetzung der großen Brücken liegen, dafür gibt es derzeit genug Beispiele: Alleine die Sanierung der Berliner Brücke, die kommende Woche mit der Sperrung der A59 beginnt und fünf Monate dauern wird, verschlingt mehr als 50 Millionen Euro. Noch kostspieliger sind die Arbeiten, die derzeit am Karl-Lehr-Brückenzug laufen. Im Herbst soll der erste Bauabschnitt fertig sein und dann 25,5 Mio Euro gekostet haben, falls er nicht erneut teurer wird. Dann beginnt der zweite Bauabschnitt, grob kalkuliert für weitere 60 Mio Euro, insgesamt kostet die neue Verbindung über die Ruhr unter dem Strich über 85 Mio Euro.
Hinzu kommen neben Straßen und Brücken weitere Verkehrswege wie Schienen, U-Bahntunnel und Wasserwege. Allesamt seien bundesweit in ihrer Substanz bedroht, sagt Dirk Biesenbach, Düsseldorfer Rheinbahn-Chef und Vorsitzender des NRW-Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, und sprang Albig nach der Kritik zur Seite: Der habe nämlich „etwas sehr Wichtiges und Richtiges thematisiert“: Es fehle schlicht jede Menge Geld, allein der Substanzerhalt koste 7,2 Milliarden Euro pro Jahr. „Es brennt“, so Biesenbach.
Doch zurück zum kleinen, in seiner Vielzahl aber ärgerlichen Schlagloch auf den Duisburger Straßen: Denn davon gibt es aktuell immer noch 1546. Fast die doppelte Zahl haben die Wirtschaftsbetriebe aber bereits beseitigt: Insgesamt wurden vom 1. November bis heute 4506 Schlaglöcher im Stadtgebiet registriert - trotz eines Winters, der eigentlich gar keiner war.
Aktuelle Zahl der Schlaglöcher: 1546
Die milden Temperaturen haben die Straßen etwas geschont, es gibt rund 800 Schlaglöcher weniger als im Vorjahreszeitraum. Bis zum nächsten Winter werden die Wirtschaftsbetriebe beschäftigt sein, die Löcher mit Kalt-Bitumen zu flicken. Auch das ist keine Maßnahme für die Ewigkeit. „Je nach Verkehrsbelastung hält die Reparatur ein bis drei Jahre“, sagt Sarah Mdaghi, Sprecherin der Wirtschaftsbetriebe.
Drei Mio Euro gibt die Stadt im Jahr für die Flickschusterei aus, im Vorjahr waren es einmalig 5,5 Mio Euro. Mit den Mehrausgaben hoffte die Stadt, nicht nur einzelne Löcher, sondern auch längere Abschnitte sanieren zu können. Für rund 100 Teilstücke bis zu 20 Meter Länge reichte das Geld. Doch diese zwei Kilometer sind eben auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn am Ende bleiben immer noch 248 Kilometer marode Straßen, die zu erneuern sind.