Der Menschenstrom, er will nicht enden. Fast alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die der Gewerkschaft Verdi angehören, tragen Fahne, Kappen und Plastikwesten in Rot und Weiß, auf der ihre Kernbotschaft zu lesen ist, die sie in dieser Tarifauseinandersetzung mit so heißen Herzen vertreten: „Wir sind es wert!“ Die Kapazitäten des Burgplatzes waren schnell gesprengt: Über 14 000 Beschäftigte zogen vors Duisburger Rathaus. Es war so voll, dass sich die Massen der Demonstranten bis auf die Post- und Kuhstraße zurückstauten.

Die Verdi-Landesvorsitzende Gabriele Schmidt wertete diese sensationell hohe Beteiligung als „deutliches Signal und deutliche Warnung an die Arbeitgeber“, im anhaltenden Tarifstreit endlich ein konkretes Angebot vorzulegen.

„Noch sind die Streiks ein laues Lüftchen“, sprach die NRW-Verdi-Chefin eine Warnung aus. Bei Bedarf würden die Gewerkschaften längerfristige, flächendeckende Streiks anzetteln. Die finanziellen Forderungen (100 Euro Sockelbetrag als Aufschlag, plus 3,5 %, plus 70 Euro für Mitarbeiter im Nahverkehr) hält sie für „gerecht, angemessen und auch bezahlbar“.

Welche drastischen Folgen ein langfristiger Streik auf das Stadtleben hätte, lässt sich angesichts der beträchtlichen Auswirkungen der jetzigen Warnstreiks nur erahnen. Duisburg erstickte gestern fast am Verkehr. Das lag zum einen an der Streikbeteiligung aller Bus- und Bahnfahrer, hinzu kamen die stauträchtigen Autobahnbaustellen auf der A 40 und A 59 sowie die gesperrten Straßen rund um den Burgplatz. Phasenweise ging nichts mehr. Allein über 160 Busse, mit denen die Streikenden angereist waren, fanden auf den gesperrten City-Straßen einen Notparkplatz.

Begeistert über die riesige Streikbereitschaft zeigte sich auch Thomas Keuer, örtlicher Verdi-Geschäftsführer: „Von einer solchen Beteiligung hatten wir nicht zu träumen gewagt.“

Vor allem die Verdi-Jugend hat sich einiges einfallen lassen. Mit dem riesigen grünen Comic-Superhelden Hulk will sie Interesse wecken, er ist Sinnbild für die Kampagne „Zeit für Helden“. Denn es sind die Nachwuchskräfte, von denen im Alltag stets Heldentaten erwartet werden, obwohl sich die Arbeitsbedingungen gerade für diese Altersgruppe ständig verschlechtert. „Wer im Arbeitsalltag immer alles geben soll, der braucht auch eine vernünftige Perspektive“, fordert Tim Sturm von der Verdi-Jugend, als er von der kleinen Bühne zu den über 14 000 Zuhörern spricht.

„Die Arbeitgeber sollen sich endlich bewegen“, fordern auch Judith Pickartz und Volker Winkler, beide im Duisburger Ortsverein der Gewerkschaft Komba. Ins gleiche Horn stößt Verdi-NRW-Chefin Schmidt: „Wir sind heute nicht hier, weil wir einen unbefristeten Streik vom Zaun brechen, sondern weil wir nächste Woche ein Ergebnis sehen wollen.“

Trotz der Menschenmassen gab es laut Polizei, die mit rund 70 Beamten im Einsatz war, keine Zwischenfällte. Im Gegenteil: „Was für eine entspannte, friedliche Atmosphäre!“ lobte Motorrad-Polizist Dieter Hartl, der eine der zahlreichen Straßensperren bildete. Fast fünfeinhalb Stunden dauerte der Einsatz. Gegen 13.30 Uhr hatte der letzte der 160 Reisebusse, in denen ein Teil der Demonstranten angereist war, Duisburg verlassen.

„Das war schon toll“, freute sich Duisburgs Verdi-Geschäftsführer Thomas Keuer nachher. „Doch dadurch ist die Erwartungshaltung unserer Leute noch höher. Jetzt muss am Montag und Dienstag in Potsdam auch ein zufriedenstellender Kompromiss herauskommen.“