Duisburg. 21 ehemalige Beschäftigte des geschlossenen TSTG Schienenwerks in Duisburg erhalten Angebote für unbefristete Verträge bei Thyssen-Krupp. Finanziert werden sollen diese neuen Jobs durch die Abfindungen der betroffenen Arbeiter, dafür gehen Thyssen-Krupp-Beschäftigte in Altersteilzeit.

Zum Jahresende 2013 wurde die TSTG Schienentechnik von ihrem letzten Besitzer, dem österreichischen Stahlkonzern Voestalpine, geschlossen. In den riesigen Hallen auf dem Werksgelände von Thyssen-Krupp (TKSE) in Bruckhausen werden nach 120 Jahren keine Schienen mehr produziert, 268 Menschen wurden arbeitslos. Die Schienenfertigung gehörte lange Zeit zu Thyssen, und nun könnten einige Arbeiter zu ihrem alten Mutterkonzern zurückkehren – was diese allerdings mit ihrer Abfindung von TSTG gegenfinanzieren müssen.

„Wir sind in einer Phase, in der wir Mitarbeitern Angebote machen“, bestätigte Thomas Schlenz, Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied bei Thyssen-Krupp Steel, auf Anfrage der WAZ. 21 Angebote sind es, doch die Schaffung der nötigen Stellen müsste ohne weitere Investitionen von TKSE ablaufen. „Es ist ein Kraftakt“, sagt Schlenz. Und der funktioniert so: Die Abfindungen, die die gekündigten Arbeiter erhalten würden, fließen von der TSTG an Thyssen-Krupp, dadurch finanziert der Stahlkonzern für eigene Mitarbeiter entsprechender Jahrgänge eine Altersteilzeit, die Schienenwerker können aufrücken, erhalten unbefristete Verträge. Da nur langjährigen TSTG-Mitarbeitern Angebote gemacht wurden, dürften die Abfindungen nicht gering ausfallen. Nach WAZ-Informationen sollen die Abfindungssummen der TSTG-Belegschaft jeweils zwischen 30.000 und 280.000 Euro liegen.

Besonderes soziales Kriterium

Auch Menschen, die deutlich älter als 50 Jahre sind, sollen zu TKSE wechseln. Sie hätten auf dem Arbeitsmarkt wohl schlechte Aussichten auf eine neue Beschäftigung. Bei der Auswahl der Personen habe man dieses „besondere soziale Kriterium“ berücksichtigt, sagt Schlenz. Und diese Arbeiter dürften die höheren Abfindungen mitbringen. Bei TKSE sollen sie nach Qualifizierungsmaßnahmen beispielsweise im Eisenbahn- und Betriebsdienst oder für die Durchführung von Instandsetzungen eingesetzt werden.

Job gegen Geld

Es sei zwar ungewöhnlich, doch komme es schon mal vor, versichert ein IG-Metall-Vertreter, der in diesem Vorgang nichts Verwerfliches sieht: Gekündigte Arbeiter finanzieren mit ihren Abfindungen einen neuen Job. Die Menschen entscheiden selbst, ob sie das Angebot annehmen, sie erhalten unbefristete Verträge – aber ein komisches Gefühl im Bauch bleibt. Wie teuer ist ein Arbeitsplatz? Was muss ich für einen neuen Job zahlen? Der Arbeitnehmer erkauft sich eine Stelle, die es ohne sein Geld – das er sich zuvor verdient hat – nicht geben würde. Das ist eine Perversion, im ursprünglichen Sinn des Wortes: eine Umkehrung. Thyssen-Krupp müsste keinen der TSTG-Beschäftigten übernehmen. Vielleicht ist so ein Angebot besser als keins. Aber wenn man sich sonst für Hartz IV entscheiden müsste, hat man dann noch die Wahl?

Ein Kommentar von Zlatan Alihodzic

Betriebsräte von Thyssen-Krupp hatten sich im Dezember 2013 im Rahmen einer Betriebsversammlung dafür stark gemacht, Arbeitsplätze für die ehemaligen Beschäftigten der TSTG zu schaffen. Sie appellierten an den Vorstand, seiner moralischen Verpflichtung nachzukommen und den Arbeitern eine berufliche Perspektive zu bieten, schließlich seien viele von ihnen vor dem Verkauf des Schienenwerks schon Kollegen bei Thyssen-Krupp gewesen. „Sie haben die meisten Dienstjahre bei Thyssen verbracht. Sie haben es verdient“, sagte damals der Betriebsratsvorsitzende Willi Segerath.

TKSE hatte vor der endgültigen Schließung durch Voestalpine die Arbeitsprofile der TSTG-Beschäftigten in eine Kartei aufgenommen, um bei freien Stellen im Konzern auf sie zurückgreifen zu können. In den nächsten Tagen und Wochen sollen die ersten neuen Arbeitsverträge mit ehemaligen TSTG-Mitarbeitern geschlossen werden.

Letzte Schicht der TSTG

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© Fabian Strauch / WAZ FotoPool
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