Ich weiß nicht, ob man sich so aus der Verantwortung ziehen kann.“ Jürgen Rosen ist eines der Loveparade-Opfer, die gestern nach dem öffentlichen Auftritt der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung in Sachen Loveparade, an der Gedenkstätte im Karl-Lehr-Tunnel standen und sich den Fragen der Journalisten stellten.

Er erklärt sein Unverständnis, in das sich Bitterkeit mischt, anhand eines Beispiels. „So ein Herr Rabe. Der ist für die Sicherheit zuständig. Warum wird der aus der Verantwortung genommen?“ Das ist für Jürgen Rosen unerklärlich. „Jedes Kinderkarussell wird drei Mal vom Tüv geprüft, bevor es in Betrieb genommen wird“, sagt Rosen. So eine Massenveranstaltung wie die Loveparade, die sei ja nicht vom Himmel gefallen.

Nicht nur die Untergebenen anklagen

Für Jörn Teich, ein weiteres Loveparade-Opfer, ist die Anklage der Staatsanwaltschaft ein Schlag ins Gesicht. „Das ist nicht mehr zu verstehen. Wir wollen die Verantwortlichen vor Gericht sehen, nicht die Untergebenen. Moralisch ist das unter aller S....“

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, so Jörn Teich, habe eine lückenlose Aufklärung des Loveparade-Desasters versprochen, doch jetzt konzentriere sich alles nur auf Planung der Veranstaltung. Dabei, so Teich, sei auch während der Veranstaltung einiges schief gelaufen, das nach seiner Meinung vor Gericht gehört: „Alle haben Fehler gemacht.“

Opferanwältin Bärbel Schönhof dagegen hat die Anklageschrift nicht überrascht: „Das Ergebnis war zu erwarten, wenn man die Ermittlungsakten gelesen hat.“ Sie werde nun die Einstellungsverfahren gegen ursprünglich Beschuldigte und das Einlegen von Rechtsmitteln prüfen. Außerdem müsse abgewartet werden, ob in der Hauptverhandlung noch weitere Beweise zu Tage treten, die weitere Anklagen zulassen.

Eine peinliche Posse erlaubte sich die Staatsanwaltschaft bei ihrem Pressetermin in der Rheinhausen-halle. Angehörigen und Opfern wurde der Zugang verwehrt, obwohl in der Halle mehr als genug Platz gewesen wäre. So ging es zum Beispiel Jürgen Rosen, der sich daraufhin auf den Weg zur Gedenkstätte machte. Aber auch andere waren Opfer der strikten Einlasskontrolle. Für Edith Jakubassa und ihren Mann Friedhelm Scharff beispielsweise ist bereits im Eingangsbereich Endstation. Zutritt verweigert. Die Anweisung des Justizwachtmeisters ist eindeutig: „Wir dürfen sie nicht reinlassen, heute nur für Presse.“ Die aus Hochheide angereisten Eltern von Marina Jakubassa – die Einzige unter den 21 Todesopfern der Loveparade-Katastrophe, die aus Duisburg kam – müssen die nächste Stunde also vor der Tür verbringen.

Staatsanwaltschaft will Gespräche

„Wir sind schockiert darüber, dass wir nicht reingekommen sind und verärgert, dass die Hauptverantwortungsträger dieser Katastrophe nicht angeklagt werden. Stattdessen werden Leute verantwortlich gemacht, die nur auf Druck von oben gehandelt haben“, machten Edith Jakubassa und Friedhelm Scharff ihrem Unmut nachher Luft. Den Prozess wollen beide als Nebenkläger verfolgen, so wie einige andere Hinterbliebene auch. „Das sind wir unseren Kindern schuldig.“

Horst Bien erklärte sich bereit, dass die Staatsanwaltschaft bereit sei, den Hinterbliebenen der 21 Opfer im kleinen Kreis die Hintergründe für die Anklageerhebung darzulegen. Der Kontakt könne persönlich oder über den jeweiligen Rechtsbeistand hergestellt werden.