Eigentlich könnte Friedrich Hermans längst seinen Ruhestand genießen. Doch den Architekten lässt ein Thema nicht los: die sogenannten „Weißen Riesen“ in seiner Nachbarschaft; der Hochhauspark, der seit Jahren für Diskussionen sorgt und durch Fehlentwicklungen dazu beigetragen hat, dass Hochheide als Brennpunkt gilt. Hermans ist gebürtiger Homberger, war lange Jahre in Kempen tätig und zog 2005 zurück nach Homberg. Seitdem verfolgt er die Debatte über die Zukunft der sechs 20-stöckigen Hochhäuser, von denen einer zuletzt noch zum „Roten Riesen“ saniert wurde und zwei weitere leergezogen sind.

Alternative zu Abriss oder Sanierung

Derzeit spitzt sich die Lage vor Ort wieder zu: Ein Investor will einen der leeren Wohnblöcke für 17 Millionen Euro sanieren und die 340 Wohnungen wieder vermieten. Obwohl der Leerstand so hoch ist wie in kaum einem anderen Ortsteil und Homberg überproportional Einwohner verliert. Für die andere Ruine, die man in Hochheide längst als „größten Taubenschlag Europas“ bezeichnet, bemüht sich die Politik seit Jahren erfolglos um den Abriss. Doch beiden Vorhaben kann Architekt Hermans nur wenig abgewinnen.

„Bei dem Leerstand in Hochheide braucht es gewiss keine zusätzlichen Wohnungen. Aber selbst ein Abriss würde ja wie in einem Gutachten festgestellt mindestens vier Millionen Euro kosten. Ich denke, das Geld kann man auch sinnvoller investieren“, sagt der Homberger, der sich seit geraumer Zeit mit einem Konzept beschäftigt, das die Wohnblock-Ruine quasi in übereinander gestapelte Nutzgärten verwandelt. In der Fachwelt hat sich dafür ein Begriff etabliert: „Skyfarming“ bezeichnet Mega-Gewächshäuser, auf deren zahlreichen Etagen sich Gemüse und Pflanzen anbauen lassen. Agrarforscher der Uni Hohenheim in Stuttgart sehen in den Bauten sogar die Chance den Hunger in der Welt zu bekämpfen. „So weit geht mein Anspruch nicht“, sagt Hermans schmunzelnd. „Mit geht es darum, dass in Hochheide etwas Attraktives geschaffen wird.“

Der Architekt hat keine bunten Modellbilder gemalt, sich stattdessen in der Agrarbranche umgesehen, mit Betreibern gesprochen, eine Champignon-Farm am Niederrhein besucht. Und sich bestätigen lassen, dass die Gemüsezucht sich von den Hallen in die Etagen verlegen lässt. So könnte ein Gartencenter in die unteren Etagen ziehen, darüber Gemüse und Pflanzen gedeihen, ohne Pestizide, ohne Wettereinflüsse, ohne Ernteausfall. Bewässert wird mit Grundwasser, zur Energieversorgung dienen Wärmepumpen sowie Photovoltaik auf dem Dach. Und die oberste Etage sei prädestiniert für ein Restaurant, das man über einen gläsernen Außenaufzug erreicht.

Auf die Idee kam Hermans, als er aus reinem Interesse über das Hochhaus-Quartier recherchierte und dabei auf einen alten Wettbewerb von Architekturstudenten stieß. Ein Entwurf sah eine Fassadenbegrünung vor. Hermans dachte ihn weiter. Nutz- statt Zierpflanzen, und das im ganzen Haus. „Am Anfang habe ich gedacht, ich wäre der Erste mit dieser Idee. Doch das war ein gewaltiger Irrtum.“ Hermans hörte sich um, nutzte berufliche Kontakte. „Hochaktuell“ sei das Thema, schrieb ihm das Institut für Stadtentwicklungsforschung in Aachen: Denn dort arbeite man selbst gerade an einem EU-Forschungsauftrag mit 17 beteiligten Ländern.

Interessierte Forschungs-Institute

Das Frauenhofer-Institut zeigte weitergehendes Interesse, wäre in einer späteren Phase sogar bereit, sich bei den Planungen einzubringen. Das Institut beschäftigt sich mit Technologien zu Gewächshäusern und hält es „bisher in Deutschland für einmalig“, ein Bestandsgebäude zur landwirtschaftlichen Nutzung umzugestalten.

Denn Pläne und Modelle für „Skyfarming“ finden sich bislang nur in den Mega-Metropolen der Welt, meist sind es waghalsige Architekturmodelle. „Diese Häuser müssen erst gebaut werden. In Homberg ist die Bausubstanz schon vorhanden“, sagt Hermans. Auch einem Vertreter der Stadt hat er sein Konzept vorgestellt. Vor allem aber geht es ihm darum, eine neue Idee in die Diskussion um die Hochhäuser einzubringen und einen ganz anderen Weg aufzuzeigen. Hermans kenne aber auch das Zitat von Mark Twain, sagt er: „Menschen mit einer neuen Idee gelten so lange als Spinner, bis sich die Sache durchgesetzt hat.“