Ihre Programmgestaltung und ihr künstlerisches Selbstverständnis garantieren Leckerbissen für anspruchsvolle Feinschmecker. Auch bei ihrem von Philharmoniker-Intendant Alfred Wendel lange geplanten Auftritt im Rahmen des 4. Kammerkonzerts im sehr gut besuchten Theater am Marientor enttäuschte die polnische Pianistin Ewa Kupiec nicht. Selbstvergessen sitzt sie am Klavier, erinnert an vernachlässigte Stücke von George Enescu und Witold Lutoslawski und entlockt dem warm tönenden Bechstein-Flügel Klangfarben von blühender Vielfalt und Frische, wenn sie Schlüsselwerke von Debussy und Ravel ertönen lässt. All das ohne jeden Fettansatz und effektvolles Muskelspiel.

Auch Raritäten im Programm

Sie ist eine Meisterin der leisen Töne mit einer sensibilisierten Anschlagskultur, die dem Flügel selbst in dem für Klaviermusik alles andere als idealen Theater am Marientor erstaunliche Leuchtkraft abgewinnen kann.

Davon profitieren nicht nur impressionistische Zugnummern wie Claude Debussys „Estampes“ oder Maurice Ravels gar nicht so kleine „Sonatine“, sondern auch Raritäten wie eine Auswahl aus der 3. Suite des rumänischen Meisters George Enescu, der viel von den Franzosen gelernt hat, gleichwohl in den fünf Miniaturen zu eigenen, höchst originellen Lösungen finden konnte. Etwa in den bitonal gefärbten „Carillon nocturne“, also nächtlichen Glockenklängen, die eine Brücke von Debussy zu Messiaen schlagen, ohne sich in Stilkopien zu erschöpfen.

Gar nicht hoch genug kann der Einsatz von Ewa Kupiec für Komponisten ihrer polnischen Heimat gewürdigt werden. Dazu zählt insbesondere Witold Lutoslawski, der wohl bedeutendste polnische Meister der Nachkriegszeit, mit dem die Pianistin in jüngeren Jahren intensiv zusammengearbeitet hat. Dessen groß angelegte, sehr frühe Sonate aus dem Jahre 1934 kann auch ihre enge Beziehung zu Debussy nicht verleugnen. Allerdings gebärdet sich der damals 20-jährige Feuerkopf in den drei ausgedehnten Sätzen erheblich kraftvoller und wilder als der Franzose. Attribute, die Ewa Kupiec durchaus anklingen ließ, ohne auch nur in einem Takt die Grenzen ihrer noblen Klangkultur zu überschreiten.

Begeisterter Beifall für einen anspruchsvollen, stillen und stilistisch ebenso geschlossenen wie differenzierten Klavierabend auf höchstem Niveau.