Als „manchmal überemotional und in die Irre führend“ erachtete EU-Kommissar Laszlo Andor die Debatte um die sogenannte „Armutszuwanderung“ und daraus folgenden Sozialmissbrauch, als er vor wenigen Tagen in Brüssel einen Leitfaden vorstellte, der Klarheit über die Rechtslage schaffen soll. In drei Wochen will sich der EU-Sozialkommissar selbst ein Bild von der Situation in Duisburg machen. Das gab Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gestern auf ihrer Jahres-Pressekonferenz bekannt. Auch sie forderte Hilfe aus Berlin und Brüssel für die betroffenen Kommunen.
Ob sich für Andor bei seinem Besuch am Freitag, 7. Februar, die Grundhaltung ändert, ist eher fraglich. Der EU-Kommissar hat sich oft in der Debatte geäußert, dabei den Ruf nach finanziellen Hilfen aber nie hören wollen. Bereits vor Monaten appellierte er stattdessen an die Solidarität in Deutschland: „Es sollte innerhalb Deutschlands Hilfen geben.“
Meiderich als Bühne für Polit-Talk
Schließlich profitiere Deutschland in erster Linie von der Zuwanderung, selbst in den besonders betroffenen Städten wie Duisburg und Dortmund sehe man nur „ein vorübergehendes Problem“. Im Duisburger Rathaus kam das gar nicht gut an: „Der EU-Kommissar verkennt völlig die Situation“, entgegnete Stadtdirektor Reinhold Spaniel im NRZ-Gespräch. Im Februar wird man sich jetzt persönlich unterhalten können.
Bis dahin wird Duisburg in der bundesweiten Debatte auch weiterhin Sinnbild für die Folgen der Armutszuwanderung sein. Beispiel: Der Politik-Talk bei Maybrit Illner am Donnerstagabend. Dort schilderte die Duisburgerin Sabine Keßler die Situation in Meiderich: Der Müll und der Lärm auf ihrer Straße sei das Schlimmste, der Kontakt zu den eingewanderten Roma gar nicht möglich: Man werde als Rassist beschimpft und mit unflätigen Gesten bedacht. Was dem bayrischen Innenminister Joachim Herrmann sogleich als Steilvorlage diente, den harten Kurs der CSU gegen die Armutszuwanderung zu verteidigen. In der Runde kam übrigens noch ein Duisburger zu Wort: Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Der regte sich „fürchterlich“ auf, dass die Probleme schon seit Jahren existieren aber durch Wahlkampf, Regierungsbildung, Sommer- und Winterpause immer nur weitergeschoben werden.
Finanzhilfen aus Bundesprogrammen
„Stammtischparolen helfen Duisburg nicht weiter“, sagte in dieser Woche die heimische SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas und erklärte, dass auf Drängen der SPD das Bundesprogramm „Soziale Stadt“ zeitnah wieder für Städte mit besonderen Herausforderungen bei der Integration geöffnet werde. „Das kann aber nur ein Anfang sein“, sagt Bärbel Bas, die vom Zuwanderungsausschuss der Bundesregierung erwarte, dass den betroffenen Städten unbürokratisch mit Sonderfonds geholfen wird.