Duisburg. „Man muss offen und neugierig auf Gott und die Welt sein.“ Susanne Müller (Name geändert) und 120 Ehrenamtliche sorgen dafür, dass unter der Notrufnummer 0800/1110111immer jemand erreichbar ist. Einsamkeit ist oft ein Thema. Die Mitarbeiter werden vor ihrem Einsatz geschult.

Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist für alleinstehende Menschen besonders schwierig. „Weihnachten wird man vielleicht auch mal vom Nachbarn eingeladen. Aber Silvester?“ Olaf Meier, Leiter der Telefonseelsorge in Duisburg, kennt die kritischen Tage im Jahr. Wer keinen zum Reden hat, ruft bei der Telefonseelsorge an. Am anderen Ende der Leitung sitzt dann vielleicht Susanne Müller (Name von der Redaktion geändert). Sie und die anderen Ehrenamtlichen haben ein offenes Ohr. Da die Beratung anonym erfolgt, sollen auch die Mitarbeiter, die am Telefon sitzen, anonym bleiben.

„Ich hatte immer Glück, dass mir jemand zugehört hat, auch wenn ich zum dritten Mal über dasselbe Thema gesprochen habe“, erzählt die 47-Jährige. Sie ahnte aber auch: Nicht allen geht es so. Vor elf Jahren entschied sie sich, etwas zurück zu geben und meldete sich bei der Telefonseelsorge, um zu helfen. „Man muss offen und neugierig auf Gott und die Welt sein – und den Leuten zuhören.“ Und Lebenserfahrung schadet auch nicht. Bevor man allerdings einen Dienst am Telefon übernimmt, muss man zunächst eine Schulung mitmachen.

Einsamkeit ist oft Thema

Nicht immer sei nach zwei Minuten klar, wo der Schuh drückt. Dann plaudert Susanne Müller mit den Anrufern. Einsamkeit sei oft ein Thema – eben nicht nur an den Feiertagen. Manchmal ist ein ganz normaler Sonntag genauso schlimm. Einmal hatte sie eine Frau am Telefon, die sich umbringen wollte. „Ich habe die Situation so klären können, dass sie während unseres Gesprächs das Mittel, mit dem sie sich das Leben nehmen wollte, ins Klo gekippt hat. Das habe ich gehört.“ Nach so einem Telefonat muss die lebensfrohe Ehrenamtliche selbst erstmal die „Pause“-Taste drücken. Die Leitung ist dann blockiert, ein anderer Seelsorger übernimmt die Anrufe – und sie kann sich „sammeln“, bis sie bereit für ein neues Gespräch ist. „Man kann nicht sagen, wann die Telefonate intensiver sind.“ Klar, auch Scherzanrufe gibt es. Von Jugendlichen zum Beispiel. Die singen ihr Lieder vor und wollen wissen, ob sie wohl Chancen hätten, bei Dieter Bohlen in der Sendung zu landen. Im Hintergrund kichern dann die Freundinnen. „Grundsätzlich ist es aber gut, dass sie die Nummer kennen.“

Wenn die Anrufer weitergehende Hilfe brauchen, hat Susanne Müller eine Liste mit Anlaufstellen parat. Einige Personen melden sich regelmäßig. „Wir verabreden uns nicht, aber sie haben irgendwann raus, wann wir unsere Dienste machen.“ Und auch solche Telefonate gibt es: Neulich rief eine Dame an und bedankte sich für die Hilfe und dafür, dass man ihr zuhört.

Vorbereitungskurs dauert ein Jahr

Die Telefonseelsorge ist eine gemeinsame Einrichtung der evangelischen und katholischen Kirche. Rund 120 Frauen und Männer sorgen in Duisburg dafür, dass unter den Notruf-Nummern 0800/1110111 und 0800/1110222 rund um die Uhr jemand erreichbar ist. „Uns erreichen Menschen aus ganz Deutschland“, erklärt Olaf Meier. Früher, als noch mehr Personen über Festnetz telefonierten, kamen die meisten Anrufe aus der Region. Ruft jemand per Handy an, kann er theoretisch auch in Bayern sitzen und in Duisburg beraten werden.

Im Januar startet ein neuer Ausbildungskurs für Telefonseelsorger. Er dauert ein Jahr. So werden psychologische Grundlagen vermittelt, Telefonate simuliert, Seminare gehalten. „Wir brauchen nicht so sehr Macher-Typen, die immer für alles Ratschläge haben. Unsere Leute müssen zuhören, das muss passen.“ Bevor jemand ins Seminar aufgenommen wird, gibt es denn auch ein Vorstellungsgespräch. Auch später können sich die Interessierten überlegen, ob sie die Aufgabe wirklich wahrnehmen wollen.

Wer sich für das Ehrenamt interessiert, kann sich unter der Rufnummer 0203/22657 informierten oder per E-Mail melden: duisburg@telefonseelsorge.de.