Wenn bei einem Prozess die seit dreieinhalb Jahren offene Frage juristisch aufgearbeitet wird, wer die Schuld an der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und über 500 Verletzten trägt, sollen offenbar mehrheitlich Mitarbeiter der Stadtverwaltung auf der Anklagebank sitzen. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“ soll es sich dabei um zwei Dezernenten sowie Amtsleiter und Verwaltungsangestellte handeln. Die Staatsanwaltschaft soll ihnen in dem jetzt fertig gestellten Entwurf der Anklage „eklatante Planungsfehler“ vorwerfen, die Beschuldigten müssten sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten.

„Kein Kommentar“ aus dem Rathaus

Die Ermittlungen hatten sich zwischenzeitlich gegen 17, zuletzt noch gegen 15 Beschuldigte gerichtet, darunter zehn Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Zu ihnen gehören als ranghöchste Mitarbeiter Rechtsdezernent Wolfgang Rabe und der ehemalige Bau- und Planungsdezernent Jürgen Dressler. Die Stadt Duisburg wollte sich am gestern nicht dazu äußern. „Mangels belastbarer Informationen“ könne die Antwort nur lauten: „Kein Kommentar“, so die Stadtsprecherin.

Alleine die Anklageerhebung könnte Konsequenzen für die städtischen Bediensteten nach sich ziehen: Oberbürgermeister Sören Link hatte zum dritten Jahrestag der Tragödie hatte noch einmal bekräftigt, dass er hinter seinen Mitarbeitern stehe und den beschuldigten Beamten jede notwendige juristische Unterstützung zukommen lasse. Über mögliche Suspendierungen oder Versetzungen — die immer wieder von Opfervereinen und ihren Anwälten gefordert wurden — werde erst im Falle einer Anklageerhebung oder Verurteilung nachgedacht, erklärte OB Link vor wenigen Monaten.

Gegen wie viele der weiteren Beschuldigten aus dem Rathaus Anklage erhoben wird, ist unklar. Laut Staatsanwaltschaft sei noch offen, ob insgesamt zehn oder elf Angeklagte vor Gericht müssten, heißt es, die Prüfung des Entwurfs durch den Generalstaatsanwalt in Düsseldorf werde bis Januar andauern. Zu dem Kreis der Angeklagten sollen auch Mitarbeiter der Veranstalterfirma „Lopavent“ gehören, im Zuge der Ermittlungen zählten vier von ihnen zu den Beschuldigten.

Dagegen wird das Verhalten der Polizei am Tag der Tragödie offenbar nicht mehr im Fokus der Justiz stehen. Einziger Beschuldigter war bisher der Einsatzleiter, der Anfang diesen Jahres in Duisburg nach 44 Dienstjahren in den Ruhestand verabschiedet wurde. „Der bekennende Weinliebhaber freut sich jetzt darauf, die neugewonnene Freizeit im Feriendomizil auf Mallorca zu verbringen“, schrieb die Polizei-Pressestelle im Januar. Das Verfahren gegen ihn wird laut Medienberichten jetzt eingestellt.

Polizei nicht mehr im Fokus

„Verwundert“ äußerte sich darüber Rechtsanwalt Julius Reiter, der rund 100 Geschädigte vertritt. Schließlich seien auch auf Seiten der Polizei „große Versäumnisse zu Tage getreten“. Von einem „Verlust von Gerechtigkeit“ sprach Jörn Teich, Vorsitzender des Vereins „Betroffenen-Initiative Lopa 2010“: Dass das Agieren der Polizei bei der juristischen Aufarbeitung der Tragödie keine Rolle spielen soll, nannte Teich „einen Schlag ins Gesicht der Opfer“.