Duisburg. Allein in Duisburg arbeiten nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi rund 42.000 Menschen für einen Niedriglohn. Was würde sich der geplante Mindestlohn von 8,50 Euro konkret vor Ort auswirken? Eine Umfrage.

Im Job alles geben – und trotzdem wenig dafür bekommen: Allein in Duisburg arbeiten nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi rund 42.000 Menschen für einen Niedriglohn.

Dies vor allem im Dienstleistungs- und Transportgewerbe wie zum Beispiel Hotel- und Gaststätten, Friseurhandwerk, Altenpflege , Krankenpflege, Omnibus- und Speditionsgewerbe. Sie verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Dass Deutschland mit einer Großen Koalition aus CDU und SPD in der Regierung den Mindestlohn bekommen wird, scheint ausgemacht. Wie aber würde sich ein Mindestlohn von 8,50 Euro auf Duisburg auswirken?

Die NRZ befragte dazu Verdi-Geschäftsführer Thomas Keuer, ebenso wie den Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbandsgruppe Wolfgang Schmitz. Und was sagt der Einzelhandel? Was sagt die Wissenschaft an der Uni Duisburg-Essen dazu?

Untersuchung in Auftrag gegeben

Der Mindestlohn wird nach Einschätzung von Verdi-Geschäftsführer Thomas Keuer, die Kaufkraft in Duisburg massiv nach oben schieben: „Die Kaufkraft in Duisburg würde um 80,4 Millionen Euro pro Jahr steigen. Vorausgesetzt, jeder Beschäftigte verdient künftig mindestens 8,50 Euro pro Stunde“, zitiert er das Pestel-Institut (Hannover). Das Institut prognostiziert, dass der Zuwachs an Kaufkraft nahezu eins zu eins in den Konsum und somit in die heimische Wirtschaft gehen würde. Ein „klares Argument für die sofortige Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro“.

Verdi hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben. „Wer den ganzen Tag arbeitet, muss mit dem, was er verdient, auch klarkommen können. Das klappt aber nicht, wenn Dumpinglöhne gezahlt werden. Und ein Dumpinglohn ist alles unter 8,50 Euro pro Stunde“, sagt Keuer.

Allenfalls im Weihnachtsgeschäft

Dem stellt Wilhelm Bommann vom Einzelhandelsverband entgegen: Für die rund 11.400 Beschäftigten in den 3000 Einzelhandelsbetrieben der Stadt werde der Mindestlohn gar nichts bewirken. Denn selbst die untersten Löhne im Handel lägen oberhalb von 8,50 Euro. Allenfalls im Weihnachtsgeschäft würden Aushilfskräfte zu geringeren Tarifen beschäftigt (z.B. Geschenke-Einpackservice). Vom Grundsatz bestehe die Gefahr, dass insbesondere Jugendliche und Menschen ohne Qualifikation künftig nicht mehr so häufig im Einzelhandel eingesetzt werden könnten. Und: Statt Steigerung der Kaufkraft befürchtet der Verband eher einen Dämpfer.

So sieht es auch der Unternehmerverband: „Da die Industrie in Duisburg einen starken Stellenwert hat“, sagt Hauptgeschäftsführer Wolfgang Schmitz, „ und hier in der Regel gute tarifliche Rahmenbedingungen existieren, dürften in Duisburg weniger Menschen von dem neuen Mindestlohn betroffen sein als anderswo, beispielsweise in weiten Teilen Ostdeutschlands.

Kann die Wirtschaft ankurbeln

So ist die in Duisburg sehr präsente Metall- und Elektroindustrie, mit Betrieben wie Grillo oder Siemens, mit ihrem Metall-Tarifvertrag eine ausgesprochene Hochlohnbranche, die von einem Mindestlohn von 8,50 Euro nicht betroffen ist.“ Und: Die erfolgreiche Tarifpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern werde durch einen Mindestlohn „weiter ausgehöhlt“. Die Löhne müssten von Menschen festgelegt werden, die die Betriebe und die Region „genau kennen, nicht von Politikern im Wahlkampf“.

Ein gut gemachter Mindestlohn kann die Wirtschaft durchaus ankurbeln, weil Konsum und Produktivität steigen, sagt Prof. Gerhard Bosch vom „Institut Arbeit und Qualifikation“ der Universität Duisburg-Essen. In Unternehmen mit guter Ausbildung und effizienter Arbeitsorganisation seien höhere Entgelte eher möglich als in einem innovationsschwachen Umfeld. Die Behauptung, ein Mindestlohn schade der Beschäftigung, gebe den aktuellen Stand der Forschung nicht angemessen wieder.