Duisburg. Was in Berlin bald Realität sein könnte, testen wir im Vorfeld in Duisburg. Kommunalpolitiker Peter Ibe (CDU) und Hartmut Ploum (SPD) setzen sich auf Einladung der Redaktion an den Verhandlungstisch. Ein Streitgespräch zwischen Politikern, die schon in der Schule gegeneinander Wahlkampf machten.

Vor Wochen haben Peter Ibe und Hartmut Ploum auf dem Wanheimer Marktplatz noch nebeneinander und gegeneinander Wahlkampf gemacht. Ibe (50) für die CDU, Ploum (49) für die SPD. Jetzt hat die WAZ die beiden Kommunalpolitiker aus den Ortsvereinen (Sorry, bei der CDU heißt das Ortsverband) Wanheim-Angerhausen an den Verhandlungstisch geholt. Was Merkel und Gabriel in Berlin können, können die beiden schon lange: Große Koalition? Dann verhandelt mal!

Die beiden taten es. Das war unterhaltsam, aber zugleich mit manch hintergründiger Wahrheit und Zwiespältigkeit. Dabei kennen sich Ploum und Ibe gut, machten beide 1983 Abitur am Mannesmann-Gymnasium und damals schon in unterschiedlichen Lagern Wahlkampf für die Schülervertretung. Zur WAZ-Runde brachte Peter Ibe passend Berliner Ballen mit. „Mit viel roter Füllung“, frohlockte Ploum. „Die ist schnell verputzt“, konterte Ibe und musste sich zur Kaffeerunde dafür Ploums „kalten schwarzen Kaffee“ gefallen lassen.

Los geht’s: Herr Ibe, können Sie verstehen, dass die Frage einer Großen Koalition für die SPD eine arge Zerreißprobe ist?

Peter Ibe: Ja und nein! Ja, weil sie sich im Wahlkampf anders dargestellt hat. Nein, weil in der SPD Leute sind, die Verantwortung übernehmen. Der Bürger haben uns ein Wahlergebnis gegeben. Damit kann man zufrieden sein oder nicht, aber jetzt es ist so.

Herr Ploum, mitregieren und mitgestalten ist doch besser als Opposition. Die ist doch Mist, heißt es.

Hartmut Ploum: Mitregieren macht nur dann Spaß und Sinn, wenn das Mitregieren auch wahr genommen wird. Darin muss sich die Sozialdemokratie ganz klar wiederfinden. Und zwar nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern auch in der täglichen Arbeit. Und da habe ich große Bedenken. Man muss ein gutes Verhandlungsergebnis erzielen und das dann auch umsetzen. Und bei Frau Merkel weiß man, dass sie Koalitionsergebnisse sehr gut aussitzen kann.

Aber die CDU hat doch die Wahl gewonnen.

Ploum: Die CDU hat zwar mehr Stimmen gewonnen, aber die schwarz-gelbe Koalition hat die Wahl verloren. Klarer Wählerwille war, dass die konservativ-liberale Politik nicht fortgesetzt wird. Deswegen müssen sich die Konservativen bewegen. Die Koalitionspartner müssen sich auf Augenhöhe gegenüberstehen. Ich glaube, die Berliner Genossen machen sich kleiner als sie sind. Ich halte es auch für einen taktischen Fehler, dass Steinbrück eine Zusammenarbeit mit den Linken ausgeschlossen hat.

Ibe: Ich glaube, da irrt Herr Ploum. Natürlich hat die CDU die Wahl gewonnen, es wurden Parteien, keine Koalition gewählt. Und es gibt auch keine Mehrheit links der CDU gibt. Weil SPD und Grüne ausgeschlossen haben, mit der Linkspartei zusammenzugehen. In einer großen Koalition wäre die SPD der kleinere Partner.

Herr Ibe, wie kann Merkel der SPD denn eine große Koalition schmackhaft machen?

Ibe: Jetzt kommt es auf Inhalte an. Beide Parteien können gesichtswahrend in die Verhandlungen gehen.

Herr Ploum, Appetit bekommen?

Ploum: Wenn die CDU ihre ­Ideologien abwirft und auf die Punkte, auf die es der SPD ankommt, eingeht, gibt es Möglichkeiten. Ich halte die CSU für das Problem.

Das Verhandlungsprotokoll - Schwarz-Rotes Tauziehen am WAZ-Redaktionstisch 

Dann steigen wir mal ein in die Koalitionsverhandlung. Was ist mit dem flächendeckenden Mindestlohn?

Ploum: Kein Problem. Die FDP ist raus, da sind wir schnell beieinander.

Ibe: Sehe ich auch so.

Steuererhöhung?

Ploum: Ist ideologisch nicht notwendig, wenn es anders zu finanzieren ist.

Betreuungsgeld?

Ploum: Muss weg.

Ibe: Bleibt erhalten.

Ploum: Ich hätte einen einfachen Kompromiss. Ich würde das zur Ländersache machen. Ich wette, dann gibt es das Betreuungsgeld nur in Bayern.

Energiewende?

Ibe: Da muss man sich einigen. So kann es nicht mehr weitergehen.

Ploum: Als Konservativer müsste man doch weinen: Was da läuft, ist eine Deregulierung des Marktes wegen einer übermäßigen Subventionierung. Da sind wir schnell beieinander.

Bürgerversicherung?

Ibe: Kommt nicht. Auch weil der bisherige Lobbyist dafür ist nicht mehr da ist – die FDP.

Ploum: Eine der Sachen, die verhandelbar ist.

Mehr Geld für die Städte, die unter der Last der Zuwanderung aus Südost-Europa leiden?

Ploum: Das wird nicht entscheidend sein, da geht es um wenig Geld. Da wird Merkel als Verhandlungsmasse sicher zustimmen.

Ibe: Da wird gerade auch die Position der Ruhrgebietsstädte stärker berücksichtigt werden, auch weil die NRW-CDU jetzt deutlich stärker vertreten ist.

Stärkung der Kommunalfinanzen?

Ploum: Die Städte müssen ausreichend ausgestattet werden. Der Bund hat sich auf Kosten der Länder und Städte saniert.

Ibe: Der Bund muss aber auch zurecht kommen. CDU-Kollegen aus dem Bergischen sagen uns, wir müssen hier auch haushalten. Der Bundeshaushalt kann das nicht alles stemmen.

Pkw-Maut:

Ibe: Kommt.

Ploum: Kommt nicht.

Ploum: „Die Große Koalitionist wie ein Besuch beim Zahnarzt“ 

So, nach unserem Protokoll liest sich das ja so, als könnten Sie beide zusammen auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Reicht das auch für Berlin?

Ploum: So einfach wie zwischen Peter und mir wird das nicht sein. Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass es ein Kinderspiel ist. Ich bin da vielmehr sehr skeptisch. Merkel ist stärker als 2005. Bei der SPD fehlt mir ein bisschen der starke Mann. Ob Gabriel die Fahne für die SPD so hoch halten kann, das weiß ich nicht. Die SPD müsste den Vertrag und die Koalition permanent auf den Prüfstand stellen. Nur so kann es funktionieren. Nur dann kann man ein Debakel wie 2009 verhindern und mit stolz geschwellter Brust in den nächsten Wahlkampf ziehen und unseren Wählern sagen, das und das haben wir erreicht.

Ibe: Das Gleiche gilt doch auch für uns. Auch wir müssen unser Programm in der Koalition und bei den Wählern verkaufen.

Ist die CSU da ein Klotz am Bein?

Ibe: Ich sehe das nicht so kritisch wie der Hartmut. Der Mann in Bayern bellt gerne, ob er auch beißt, weiß ich nicht.

Ploum: Seehofer wird auch beißen. Ich halte ihn für ein echtes Hindernis.

Also kommt die Große Koalition?

Ploum: Ja.

Ibe: Ja

Wollen Sie sie denn auch?

Ploum: Nein. Rot-Rot-Grün wäre für mich eine Alternative. Oder eine Minderheits-Regierung, wie immer sie auch aussieht. Wir haben sie mit Kraft in Nordrhein-Westfalen gehabt. Es kann auch eine schwarze sein. Oder wir machen eine rot-grüne Minderheits-Regierung.

Ibe: Ja und nein. Ich privat hätte auch nichts gegen Schwarz-Grün. Für Deutschland ist die Große Koalition sicher anstrebenswert. Für die Demokratie wäre Schwarz-Grün besser, dann gäbe es eine richtige Opposition.

Ploum: Für mich ist die Große Koalition wie ein Besuch beim Zahnarzt. Da will auch keiner hin. Wenn die SPD knallhart verhandeln würde, hätte ich eine andere Einstellung. Aber allein schon dieses freundliche Vorgespräch in Berlin.

Ibe: Eine Koalition kann es nur geben, wenn sich die Menschen auch verstehen.

Ploum: Siehst du, Peter: Das ist es. Du würdest bei mir auch Kaffee und Kuchen bei den Verhandlungen bekommen, aber ich würde hinterher nicht sagen, wir haben uns entspannt unterhalten.

Würde sich eine Große Koalition auf die Duisburger Politik im Rat auswirken?

Ibe: Die SPD hat doch gesagt, dass Rot-Rot-Grün im Rat funktioniert. Ich meine, sie funktioniert nicht. Ohnehin ist jetzt die Kommunalwahl zu nah dran. Da muss jeder sein eigenes Profil darstellen.

Ploum: Auf die Kommunalpolitik würde sie keinen Einfluss haben, aber auf die Kommunalwahl. Ich kann mir vorstellen, dass viele SPD-Wähler von der Großen Koalition enttäuscht sind und uns dafür abstrafen.

Da schlägt die CDU ja gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

Ibe: So ist das. Klar, der Hartmut ist gegen eine Große Koalition und sieht das deshalb alles negativ.