Um 16.30 Uhr ist der rechte Spuk vorbei. Die höchstens 20 Anhänger der Splitterpartei „Pro-Deutschland“ steigen in ihren weißen Kleinbus und fahren ab. Die Gegendemonstranten rufen „Nazis raus“ und applaudieren.
Bilanz eines Tages, an dem an zwei Stellen in der Stadt ein paar Rechtspopulisten der Staatsgewalt mit 400 Beamten und einem Gegen-Bündnis von mehr als 1000 Menschen gegenüber standen: Alles friedlich, drei Tomaten-Würfe, keine Festnahmen. Auch die 80 bis 100 Linksautonomen unter den Gegendemonstranten, wegen denen die Polizei die Kräfte verstärkt hatte, seien nicht negativ aufgefallen, sagte ein Sprecher.
Die größten Sorgen hatten wohl die Eltern der Kinder aus der städtischen Kita, die direkt an der Kreuzung gegenüber des Roma-Hauses in Bergheim liegt und die bis in den späten Nachmittag normal geöffnet hatte. „Wir haben die Eltern vorab informiert und freigestellt, ob sie ihre Kinder bringen oder nicht“, erklärte eine Erzieherin. „Die Kinder sind im Garten hinterm Haus und bekommen nichts mit. Die Eltern sind aufgeregter als die Kleinen.“
Vor der Tür der Bergheimer Kita wurde es ab 14.30 Uhr laut: Lautsprecheranlagen auf beiden Seiten, was die Rechtspopulisten ins Mikro brüllten, ging im gellenden Pfeifkonzert unter. Als „einen lautstarken Meinungsaustausch zwischen den Gruppen“, bezeichnete das ganz nüchtern ein Polizeisprecher. Nicht anders war die Situation zwei Stunden zuvor vor der Moschee in Marxloh. Dort hatten sich rund 150 Menschen dem achtköpfigen Trüppchen der Splitterpartei in den Weg gestellt, das derzeit durch NRW fährt. Morgens Essen, mittags Duisburg, abends Krefeld, allerorten von Buh-Rufen begleitet. Heute ist die Nachbarstadt Düsseldorf dran, auch dort wird es Protestkundgebungen geben.
Rund 900 Gegendemonstranten waren es nach Polizeiangaben gestern in Bergheim, unter ihnen zahlreiche Politiker und Abgeordnete, Alt-OB Josef Krings und Innenminister Ralf Jäger, als Privatperson, wie er betonte.
Sie stehen vor dem Lastwagen des Gewerkschaftsbundes, OB Sören Link auf einer improvisierten Bühne. Die Stadt tue, was sie könne, sagt er. „Aber ohne Hilfe werden wir diese Probleme nicht lösen.“ Pfarrer Heiner Augustin betont erneut, die Probleme mit den Roma in Rheinhausen ließen sich nur durch Gespräche, nicht durch Parolen lösen. Auch Bewohner des Hauses selbst stehen vor dem Haus, in gelben T-Shirts vom Verein „Stimme der Migranten“, einer von ihnen schwenkt eine Deutschland-Fahne.
Wenige Meter weiter lehnt Iris Rütter im Fenster ihrer Wohnung, schaut sich das Treiben an: „Ich hab vor den Nazis und der extremen Linken mehr Angst als vor meinen Nachbarn“, sagt sie. „Wir sind alle EU-Bürger, jetzt sind die Leute hier und wir müssen uns um sie kümmern und mit ihnen leben.“