Ein alter Industrieschornstein auf dem Kokereigelände Zollverein – hier brüten seltene Schleiereulen. Ungestört, aber nicht unbeobachtet: Dr. Marcus Schmitt von der Universität Duisburg-Essen interessiert vor allem, was bei den ungewöhnlichen Stadtbewohnern auf dem Speiseplan steht. Seine Ergebnisse verrät er jetzt in der Reihe „Natur und Heimat“ des Westfälischen Landesmuseums für Naturkunde.
„Ein solcher Nistplatz mitten in der dicht besiedelten Stadt ist selten. Zumal nebenan Abbruch- und Sanierungsarbeiten stattfinden – aber die Eulen sind geblieben“, erklärt der Zoologe. Er hat sich in den vergangenen drei Jahren angeschaut, was in einem Nebengebäude, dem Tagesruheplatz der Vögel, auf dem Boden lag. Denn die Tiere würgen die Knochen ihrer Beute wieder hervor. „Wir haben diese so genannten Gewölle eingesammelt und über die Reste rekonstruiert, was sie gefressen haben. Das war für uns nicht eklig, sondern hochspannend, denn so konnten wir etwas über die Kleinsäuger in dem Gebiet herausfinden.“
Über 1.300 Beutetiere ließen sich bestimmen, insgesamt acht Arten. Am häufigsten wurden Hausspitzmäuse (40,6%), Feldmäuse (28,5%) und Waldmäuse (20,3%) gejagt.
Die kleinen Vierbeiner sind nämlich einer der Forschungsschwerpunkte des Wissenschaftlers. Für ihn waren die Schleiereulen also wertvolle Assistenten, die dabei halfen, mehr über Populationen der Kleinsäuger zu erfahren. Er weiß nun, dass auf Zollverein keine Erdmäuse, Waldspitzmäuse und Schabrackenspitzmäuse leben. Und das, obwohl sie Gras- und Krautflächen oder Büsche mögen, die es dort gibt.
„Wahrscheinlich konnten diese drei Spezies die Brache noch nicht besiedeln, weil sie dafür offene und vegetationslose Flächen wie Straßen überqueren müssen“, so Schmitt. Sie sollten sich das gut überlegen: „Eine Regionalzeitung wirbt ja für ihre Heimat mit dem Zollverein-Foto und dem Spruch ‚Man lebt hier sehr gerne‘. Aber die Mäuse dieses Gebietes leben gefährlich...“ Durch langfristige Studien kann man nicht nur wechselnde Vorlieben der Schleiereulen nachvollziehen, sondern so lassen sich auch Veränderungen in den lokalen Kleinsäugerlebensgemeinschaften feststellen – etwa infolge von wechselnder landwirtschaftlicher Nutzung .