Duisburg. . Drei Jahre sind seit der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade vergangen. Doch für Michaela Schmitz ist alles, was damals geschah, unglaublich nah. Die 38-Jährige stand mitten in der Masse, als neben ihr die Studentin Marta erstickte. Ihr selbst wurde der Job gekündigt, weil sie wegen ihres Traumas zu oft fehlte.

Drei Jahre, sollte man meinen, sind eine lange Zeit. Auf den Tag genau sind heute drei Jahre seit der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade vergangen. Doch für Michaela Schmitz ist alles, was damals geschah, alles, was sie sah, unglaublich nah. Die 38-Jährige stand mitten in der tödlichen Masse, als neben ihr Marta, die Studentin aus Spanien, erstickte. Gerade wurde Michaela nach 18 Jahren im Job gekündigt - weil sie wegen des erlittenen Traumas oft fehlte. Und wie viele Opfer wartet auch sie darauf, dass ein Prozess endlich die Schuldfrage klärt.

„Es ist für mich wichtig, dass diejenigen bestraft werden, die nachlässig gearbeitet haben und aus Profitgier oder weil sie die Kulturhauptstadt inszenieren wollten, Gefahren wissentlich in Kauf genommen haben“, sagt die Mönchengladbacherin. Denn während die Duisburger Staatsanwälte ermittelten, während sie über 3500 Zeugen befragten, 1000 Stunden Videos ansahen und Gutachten bewerteten, versuchte Michaela Schmitz mühevoll ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Die körperlichen Verletzungen, die Prellungen und Blutergüsse, mögen verheilt sein, die psychischen sind es lange nicht. Michaela Schmitz geht regelmäßig zur Psychologin, absolvierte eine mehrwöchige Traumatherapie. Aber die Probleme blieben. Bis heute leidet sie unter Panikschüben, wenn es etwa im Aufzug oder in der Bahn enger wird, immer wieder kehren wie im Flashback die Bilder des 24. Juli zurück.

Eine "Situation wie im Krieg" bei der Loveparade-Katastrophe

Tausend Lichter im Gedenken an die Loveparade-Opfer

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    Die Bilder von der Rampe, von der Menge. Wie eine Welle hatte es auch Michaela an diesem Tag in Richtung Treppe gedrückt. Marcus, ihr Mann, ist plötzlich verschwunden, die Freunde ebenfalls. Es wird enger und enger, es wird geschubst und getreten. Die Schwächeren gehen bald zu Boden. Michaela, die Sportliche, hält sich auf den Beinen, sieht „Situationen wie im Krieg“.

    „Jeder ist sich selbst der nächste“, sagt sie heute, „da werden die Leute zum Tier!“. Dicht neben ihr zermalmt es Marta, die 22-jährige Spanierin, die in Münster studiert. „Guck sie nicht an! Guck sie nicht an!“, schreit ein anderes Mädchen sie an. Doch Michaela kann nicht weggucken. Sie sieht Marta sterben, und wird lange brauchen, das wirklich zu begreifen. Sie will es einfach nicht wahrhaben.

    Michaela und Marcus Schmitz.
    Michaela und Marcus Schmitz. © privat

    Drei Jahre ist das her. Nun deutet sich ein Ende der staatsanwaltlichen Ermittlungen an. Im Herbst könnte Anklage erhoben werden, im Laufe des nächsten Jahres dann endlich der Prozess beginnen. „Ich weiß nicht, ob ich die Nerven habe, den Prozess als Nebenklägerin durchzustehen. Mein Anwalt rät mir dazu, aber ich will auch endlich meine Ruhe“, sagt die kaufmännische Angestellte.

    Im Unternehmen wurde ihr wegen zu vieler Fehlzeiten gekündigt

    Dass sie nach 18 Jahren im selben Unternehmen nun gekündigt wurde, wegen zu vieler Fehlzeiten, ist für sie ein neuer Schock. Dazu die ständigen Auseinandersetzungen mit den Versicherungen, immer neue Gutachten, mit denen sie ihre Rückenprobleme seit der Loveparade belegen muss.

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    Sie will Normalität und erreicht sie nicht. Dabei hat sie alles Verständnis dafür, dass es so lange dauert bis das Geschehen juristisch aufgearbeitet wird. „Die vielen Akten, das viele Beweismaterial. Ich kann das nachvollziehen!“, sagt Michaela Schmitz. Was ihr hilft, in ihrem Kampf, die Hoheit über das eigene Leben zurückzugewinnen, sind die kleinen Begegnungen. Mit Martas Eltern etwa verbindet sie ein herzliches Verhältnis. „Martas Mutter ist eine ganz liebe Frau. Sie hat ihre Tochter verloren, ich selbst schon früh meine Eltern“

    Heute, bei der Gedenkveranstaltung in Duisburg wird sie Martas Mutter wiedersehen. Die hatte ihr vor einiger Zeit ein Foto ihrer Tochter geschenkt. Gerahmt steht es auf Michaelas Schreibtisch. „Eine lachende Marta“, sagt sie, „ich kenne nur die sterbende.“