Zentimeter für Zentimeter tasten sich die Finger über die Brust, mit kreisenden Bewegungen wird die Oberfläche, dann die mittlere Schicht und schließlich die Tiefe bis zur Brustwand ertastet – auf der Jagd nach verräterischen Knoten. Mit dem raschen Befühlen unter der morgendlichen Dusche hat das nichts zu tun. Es ist zeitaufwendig, es ist intensiv, und es tut sogar richtig weh, wenn man der Brustwarze auf den Grund geht.

„Begeben sie sich in sichere Hände – in ihre eigenen“, fordert MammaCare auf. Es ist die nach eigenen Angaben einzige wissenschaftlich überprüfte Form der Brustselbstuntersuchung zur Vorbeugung von Brustkrebs. Denn sie berücksichtigt die vielen natürlichen Arten der „mamma“ – lateinisch für die weibliche Brust. „Die meisten Frauen haben knotige Brüste“, sagt Dr. Margarita Achnoula, Oberärztin des Brustzentrums im St. Anna-Krankenhaus. Die vielen Drüsen fühlen sich für Laien leicht wie gefährliche Knoten an. Deshalb setzt MammaCare darauf, die eigene Brust genau kennenzulernen, damit man später Veränderungen feststellen kann.

Achnoula ist zertifizierte Trainerin. Auch sie hat – obwohl sie schon lange als Gynäkologin arbeitet – am eigenen Leib trainiert. Und festgestellt, dass man seine Fingerspitzen schulen kann, ähnlich wie ein Blinder die Braille-Schrift lesen lernt. „Nach einem halben Jahr kann man eine stecknadelkopfgroße Veränderung ertasten“, sagt sie. In kleinen Gruppen mit maximal vier Frauen trainiert sie das. Korrigiert hier die Armhaltung, da die Lage, dort den Druck. Bei jeder Unsicherheit kann die erfahrene Frauenärztin kontrollieren – und in der Regel sofort Entwarnung geben.

Statt der in vielen Kursen propagierten Tortenstück-Methode, also rundherum abtasten, geht es hier mit der Rasenmäher-Methode zu: hoch und runter, immer nur einen Fingerbreit weiter, damit auch wirklich die ganze Brust erwischt wird - bis zum Schlüsselbein, bis unter die Achsel. Und das ganze im Liegen mit wechselnden Positionen, um der Schwerkraft der Brust entgegenzuarbeiten.

MammaCare wurde von amerikanischen Verhaltensforschern entwickelt. Sie wollten die vielen unterschiedlichen Empfehlungen zur Brustuntersuchung standardisieren, erklärt Achnoula. Das führt in Amerika dazu, dass Versicherungen von brustkrebserkrankten Frauen Ärzte verklagen, die nachweislich nicht nach dem MammaCare-Prinzip vorgesorgt haben. Die halbjährliche Untersuchung beim Gynäkologen, der gar keine Zeit für ein tiefgreifendes Tasten hat, reicht jedenfalls nicht aus. Auch Achnoula weiß aus ihrem durchgetakteten Arbeitsalltag: „Es ist einfacher, wenn eine Frau präzise sagen kann, wo sie etwas spürt, das man kontrollieren kann.“ Die MammaCare-Kurse bietet sie nach Feierabend an, sozusagen ehrenamtlich. „Es ist mir ein Herzensanliegen.“

Viele Frauen, weiß Achnoula, kontrollieren sich gar nicht erst, aus lauter Angst etwas zu entdecken. Deshalb empfiehlt sie in ihren Kursen, zunächst auf eigene Kosten per Ultraschall eine Kontrolle zu machen. Mit dem Gefühl der Sicherheit könne dann die Brustselbstuntersuchung beginnen. „Dann hat man das beruhigende Gefühl, dass nicht alles, was man ertastet, auch etwas bedeutet.“

Von den kritischen Stimmen weiß Achnoula natürlich auch: Von verunsicherten Frauen, von mehr unnötigen Eingriffen. Aber laut Statistik ist von fünf getasteten Knoten einer bösartig. „Und mir als Frau ist lieber, ich habe vier umsonst als einen zu spät abgeklärt.“