Kamp-Lintfort/Moers/Duisburg.. Im jüngsten Skandal um Lohnsklaverei auf Schlachthöfen laufen die Fäden offenbar am Niederrhein zusammen. Von hier aus sollen über ein Firmengeflecht in großem Stil Billiglöhner eingesetzt worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Steuerhinterhinterziehung.
Erneut erschüttert ein Leiharbeiter-Skandal die Fleischbranche, und die Fäden laufen offenbar am Niederrhein zusammen. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt derzeit gegen 22 Beschuldigte, die in Rumänien und Polen im großen Stil Billiglöhner für deutsche Schlachthöfe angeheuert haben sollen – ohne, dass ordentlich Steuern gezahlt und Sozialabgaben geleistet wurden. Dem Staat ist so ein Schaden möglicherweise in Millionenhöhe entstanden. In der gemeinsamen Ermittlungskommission „Karo“ sind Beamte von Zoll, Steuerfahndung und Polizei den Arbeitsverleihern seit geraumer Zeit auf den Fersen.
Bereits am 14. Mai gab es – von der Öffentlichkeit unbemerkt — eine bundesweite Razzia, wie Staatsanwalt Ralf Möllmann bestätigte. 450 Beamte durchsuchten 90 Büros und Wohnungen. Ein Geflecht von etwa „30 bis 40 Firmen“ haben die Fahnder im Visier, unter anderem in Kamp-Lintfort, Duisburg und Moers.
Die Ermittler machen keine näheren Angaben: „Wir sind in einem laufenden Verfahren“, so Möllmann. Einem Insider zufolge aber spielt die Kamp-Lintforter Niederlassung eines spanischen Bootshändlers eine zentrale Rolle. Über 1000 Beschäftigte sollen bei der Firma beschäftigt gewesen sein – nicht im Bootshandel, sondern in der Fleischverarbeitung. Vom Niederrhein aus sollen Beschäftigte z.B. ins niedersächsische Vechta vermittelt worden sein.
Löhne ab 1,50 Euro pro Stunde
Von „Lohnsklaverei“ ist die Rede und unwürdigen Zuständen, eine NDR-Dokumentation griff die Machenschaften am Montagabend auf. Arbeiter wurden bedroht, mussten in maroden Häusern nächtigen. „In der Branche herrschen Zustände schlimmer als im Wilden-Westen“, sagte Matthias Brümmer von Gewerkschaft NGG gegenüber der NRZ. Billiglöhner erhielten Löhne zwischen 1,50 und sechs Euro die Stunde – „das kommt auf den Kriminalitätsgrad des Subunternehmers an“.
Durchaus üblich: fingierte Abrechnungen. Brümmer berichtet vom Fall eines rumänischen Fleischverarbeiters, der auf dem Papier angeblich 1500 Euro pro Monat verdient habe – „da war dann aber schon das Kindergeld für drei Kinder mit eingerechnet“.
Die Arbeitsverleiher machten in der Fleischbranche enorme Gewinne, längst seien auch zwielichtige Gestalten wie Rocker aktiv. Das System von Werkverträgen – also die Vergabe einzelner Gewerke – öffne den Verleihern an Schlachthöfen Tor und Tür: „Da sind 25 bis 30 verschiedene Subunternehmer an einem Hof tätig“, berichtet NGG-Mann Brümmer. Vom Anliefern der Tiere, übers Verladen, das Töten, den Transport ins Kühlhaus, das Zerlegen an den Tischen: „Für alles ist ein eigener Subunternehmer tätig.“ Diese unterböten sich gegenseitig beim Lohn, klagt Brümmer. Daher könne nur ein gesetzlicher Mindestlohn dieses System durchbrechen.