Duisburg. Wie starb der mutmaßliche Autoknacker Abdelmajid O.? Erstmals hat sich Staatsanwalt Martin Hein zu den Ermittlungen gegen Mitarbeiter des „Delta Musik Park“ geäußert. Drei der sieben Beteiligten sind der fahrlässigen Körperverletzung mit Todesfolge beschuldigt. Möglicherweise starb O. am „lagebedingten Erstickungstod“. Dann könnten die Vorwürfe auch auf fahrlässige Tötung lauten.

Wie starb der mutmaßliche Autoknacker Abdelmajid O.? Der 26-Jährige wurde in der Nacht auf den 21. April von Mitarbeitern der Großraumdiskothek „Delta Musik Park“ überwältigt und fixiert. Er kollabierte, nach Polizeiangaben reanimierten zwei Beamte den Marokkaner. Zwei Tage später starb O. im Krankenhaus. Seinen Angehörigen und Freunden, vielen Menschen in Duisburg-Bruckhausen lässt der ungeklärte Todesfall keine Ruhe. Im Netz prägen auch Rassismus-Vorwürfe gegen die Strafverfolgungsbehörden die Diskussion, seit O.s Familie Mitte Mai Fotos ihres heftig verprügelten Sohnes veröffentliche – und damit widerlegte, was die Polizeipressestelle nach der Obduktion gemeldet hatte: „keine Anzeichen äußerer Gewalteinwirkung festgestellt“.

Nun hat sich auf Anfrage erstmals Staatsanwalt Martin Hein zum Fall geäußert. Er leitet das Ermittlungsverfahren gegen die Delta-Mitarbeiter. Beschuldigt sind zurzeit nur drei der sieben Angestellten, die in jener Nacht im Dienst waren, um den unbekannten Autoknacker zu fangen. Delta-Betreiber Hans-Bernd Pikkemaat hatte sie nach Drohungen allesamt vom Dienst freigestellt – „zu deren eigener Sicherheit und auf Anraten der Polizei“, sagte er vor drei Wochen.

„Auch ein lagebedingter Erstickungstod kommt in Betracht“

Staatsanwalt Hein ermittelt weiterhin wegen Körperverletzung mit Todesfolge, verweist aber auf die laufenden Untersuchungen am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf: „Auch ein lagebedingter Erstickungstod kommt in Betracht.“

Kommen die Sachverständigen zu diesem Schluss, könnten die Vorwürfe auch auf fahrlässige Tötung lauten. In der Vergangenheit endeten einige Verfahren, in denen Gerichtsmediziner einen lagebedingten Erstickungstod diagnostiziert hatten, jedoch auch mit Freisprüchen für die Angeklagten, etwa Polizisten. Hein spricht von einer „speziellen Problematik“. Die Polizei Duisburg hatte nach der Obduktion gemeldet, O. sei letztlich an seinem Erbrochenen erstickt.

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Vor den Risiken des „Positional Asphysia Syndroms“ (PAS) werden zum Beispiel deutsche Polizisten und Grenzschützer in ihrer Ausbildung verstärkt erst seit dem Tod des Abschiebehäftlings Aamir Ageeb im Jahr 1999 gewarnt. Drei BGS-Beamte sollen den Sudanesen wegen dessen Gegenwehr damals so massiv in den Sitz gedrückt haben, dass er erstickte. Nach dem Urteil des Frankfurter Landgerichtes hatten sie sich der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht.

Den „lagebedingten Erstickungstod“ sterben meist psychisch und physisch stark erregte Menschen, die mit Gewalt in eine Körperhaltung gezwungen werden, die ihre Atmung behindert:

Delta-Mitarbeiter knieten auf dem Rücken des mutmaßlichen Autoknackers

Um besser Luft zu bekommen, versuchen die Fixierten, sich aus ihrer Lage zu befreien, zumal Gehirn und Muskeln durch die stressbedingte Ausschüttung von Adrenalin einen noch höheren Sauerstoffbedarf haben. Wenn die Gewalt Ausübenden, etwa Polizisten oder Sicherheitskräfte, diesen Überlebenskampf als Gegenwehr missinterpretieren, reagieren sie meist mit noch mehr Druck – der zur Bewusstlosigkeit des „Gefangenen“ führen kann.

Die beschuldigten Delta-Mitarbeiter sollen Abdelmajid O. nach Angaben der Polizei zu Boden gebracht und sich auf den Rücken des Mannes gekniet haben, der nach Auskunft seiner Verwandten etwa 60 Kilo wog. Wie lange? Genau wissen das nur die Männer selbst. Als die alarmierten Polizisten auf dem Delta-Parkplatz eintrafen, war der 26-Jährige jedenfalls bewusstlos. Die beiden kräftigeren Männer, die den Autoknacker fangen sollten, seien keine Türsteher, „haben aber auch Sicherheits-Lehrgänge besucht“, sagte Delta-Betreiber Pikkemaat vor drei Wochen. „Das sind keine Laien gewesen.“

Stand Todesopfer Abdelmajod O. unter Drogen?

Ein höheres Risiko, lagebedingt zu ersticken, haben neben Herz-Kreislauf-Patienten auch Übergewichtige und Drogenkonsumenten. Ob O., der sich nach Angaben der Delta-Mitarbeiter heftig gewehrt haben soll, am 21. April unter Drogeneinfluss stand, ist laut Staatsanwalt Hein „Gegenstand der Ermittlungen“.

Die schweren Verletzungen im Gesicht und am Kopf, die O.s Angehörige mit Fotos aus der Hamborner St. Johannes Klinik publik machten, hätten nicht zum Tode geführt, so Hein. Kurz nach der Veröffentlichung der Fotos Mitte Mai wollte Polizeisprecher Ramon van der Maat die polizeiliche Bekanntgabe des Obduktionsergebnisses vom 25. April („keine äußerlichen Verletzungen“) lediglich „ergänzt, nicht korrigiert“ wissen: „Präziser wäre gewesen: Der Mann hatte keine äußerlichen Verletzungen, die todesursächlich waren.“

Wann die Gerichtsmediziner aus Düsseldorf ihren finalen Bericht im Falle Abdelmajid O. vorlegen werden, sei nicht absehbar, sagte Staatsanwalt Martin Hein am Montag.