Ob literarische Vorlage oder Eigenproduktion: Es sind die großen Lebensfragen, die die jungen Laien-Ensembles, die an den Ruhrgebiets-Theatern professionell begleitet werden, beim Unruhr-Festival auf die Bühne bringen.

Im Jahr 2000 erschien in Dänemark ein Jugendbuch, das an Schulen zeitweise verboten war und doch mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde. „Nichts“ von Janne Teller. Der Jugendclub des Westfälischen Landestheaters Castrop-Rauxel wagte sich an den umstrittenen Roman. Die Bühnenfassung von Andreas Erdmann hat das 14- bis 17-jährige Ensemble ganz auf seine Möglichkeiten angewendet. So steigt kein Junge, sondern Lea Marie auf einen Pflaumenbaum und provoziert ihre Mitschüler: „Nicht bedeutet irgendetwas.“ Sobald man geboren werde, beginne man zu sterben. Diese nihilistischen Sätze machen die Schüler erst wütend auf die Provokateurin, doch dann beginnen sie, sich auf eine ziemlich üble Art nach den Dingen zu Fragen, die für sie eine größere Bedeutung haben.

Etwa eine Stunde dauert die von Franziska Rieckhoff und Sabine Eschen geleitete Produktion. Mit wenigen Requisiten – ein paar Würfel, die von Sitzgelegenheit bis Kindersarg alles Mögliche sein können – entwickelt sich eine Inszenierung, die eine gute Ensemble-Leistung mit einem erstaunlichen Gespür für den Rhythmus von Spannung und Entspannung.

Zunächst fordert man relativ harmlose Dinge ein, die für das Opfer eine Bedeutung haben: Bücher, Boxhandschuhe oder ein Fahrrad werden zu einem „Berg der Bedeutung“ aufgehäuft. Gespielt wird das in einem guten Wechsel von beinahe lockerem, an das Publikum gerichteten Erzählton und kleinen Dialog-Szenen, in denen die Hinterhältigkeit leise knistert. Die Gewalt wächst, die Forderungen werden verletzender. Erst soll der Hamster einer Schülerin, dann der Sarg eines verstorbenen Bruders, die Unschuld eines Mädchens und schließlich der Finger einer Gitarristin auf den Berg der Bedeutung. Erstaunlich, wie sehr das junge Ensemble dem vielschichtigen Stück gewachsen war.

„Stadtpiraten“

Ein Ensemblestück ist auch „Stadtpiraten“ aus Bochum. Die 14 Darsteller bringen im raschen Wechsel von großen Gruppenszenen, Dialogen und kurzen Monologen viele Fragen auf die Bühne. Allerdings geht es hier eher spielerisch und leicht – in Liedern, Texten und Tänzen – um Politisches und Privates: Kann auf einem Piratenschiff jede Frage per Mehrheitsbeschluss entschieden werden. Muss es für jedes Thema eine AG geben? Sind Mädchen stärker als Jungen? Warum machen Frauen selten Karriere? Mitmachen oder Abhauen? Anpassen oder Anderssein? Die muntere Mischung aus Klischees, Zitaten und eigenen Texten kommt energiegeladen rüber.