„Nur 48 Stunden“ heißt ein hinlänglich bekannter US-amerikanische Speilfilm mit jeder Menge Action.
Nur 48 Stunden war auch die reale, dramatisch kurze Vorgabezeit, in der der freie Kameramann Conrad Lobst seinen Bewerbungsfilm zum Thema „Isolation“ für die Filmakademie Ludwigsburg fertigstellen sollte. Bewältigt hat er sie zusammen mit dem Duisburger Regie-Duo Nadine Heinze und Marc Dietschreit sowie Markus Brinkmann von der B8 Film- und Fernsehproduktion aus Duisburg. Das Ergebnis ist ein charmanter Kurzfilm über Menschen mit Down-Syndrom, der auf sehr liebenswerte und auch humorvolle Weise deutlich macht, wie ausschließend, aber auch relativ der Begriff des „Normalseins“ ist.
Der Lohn für die Anstrengungen: Lobst hat seinen Studienplatz sowie auf dem Amsterdam Film Festival in Ney York den Preis für die beste Kameraführung bekommen, und - der Film wird am 1. Juni im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen sein. Er läuft in einer Reihe, die sich um Menschen mit Behinderungen dreht
Um werfende Szenen
„46/47“ lautet der Titel der knapp acht Minuten langen Geschichte um den jungen Daniel, der anders ist, weil er nur 46 Chromosomen besitzt. Alle anderen um ihn herum haben 47 (Down-Syndrom). Er wird angestarrt im Bus, im Supermarkt, ständig von seiner besorgten Mutter gegängelt und mitleidig von wohlmeinenden Mitmenschen behandelt. Nur sein einziger, wahrer Freund erkennt sein Problem und beschließt, ihm zu helfen.
Der Kniff von Heinze und Dietschreit, die Perspektive einmal umzudrehen, erscheint einfach, aber in seiner konsequenten Anwendung (selbst die Zwiebackpackung im Supermarkt ziert das Bild eines Menschen mit Down-Syndrom) hält er uns „Normalos“ ohne Zeigefinger den Spiegel vor.
Dabei sind ihnen umwerfende Szenen gelungen. Etwa die mit dem kleinen Jungen mit Down-Syndrom, der Daniel auf dem Hof fragt, ob der denn sein fehlendes „Somorom“ wiedergefunden habe, und als Daniel verneint der Kleine bedauernd schlussfolgert: „Ach, dann wirst du ja immer behindert bleiben.“
Das ist umso amüsanter, wenn Produzent Markus Brinkmann erzählt, dass der fünfjährige Leo, der den Kleinen vor der Kamera mimt, und der im realen Leben fließend Englisch und Deutsch spricht, sich eingangs gewehrt hat, das falsche Wort zu benutzen. Es hieße doch Chromosom, hatte er die Filmleute belehrt, aber nicht weiter darauf beharrt, nachdem die ihm erklärt hatten, dass dies ein gewollter Scherz sei.
Wie kriegt man solche Diskussionen, knapp 100 Leute am Set, aber nur acht im Team, wechselnde Aufnahmeorte und letztlich noch den Feinschnitt in nur 48 Stunden hin? „Na, ja. Das ging alles hoppladihopp“, lacht Nadine Heinze. „Wir haben die zwei Tage nahezu durchgearbeitet. Das war schon sehr anstrengend, aber es ist gut gelaufen.“
Was auch an der guten Vorarbeit liegt. Denn so ganz aus dem Nichts ist „46/47“ nicht entstanden. Nadine Heinze: „Wir hatten schon vor längerer Zeit die Idee, zu diesem Thema einen langen Film zu drehen. Und weil es ein so sensibles Thema ist, hatten wir vorher schon Kontakte zu entsprechenden Vereinen und Netzwerken aufgebaut. Dass für Conrads Bewerbungsarbeit von der Uni ein passendes Thema vorgeschrieben wurde, war ein Glücksfall.“
Hinzu kamen beste Kontakte nach Ruhrort, wo Heinze und Dietschreit im Lokal „Harmonie“ mitarbeiten. So wurde im Sommer 2011 ausschließlich in dem Hafenstadtteil gedreht mit Unterstützung durch erfahrene Theaterpädagogen, die Nikolausburg, Kokobe Duisburg, der Lebenshilfe, dem Verein für Köper- und Mehrfachbehinderte, Duisburg Marketing, der DVG, dem Ohrenkuss-Magazin aus Bonn und, und, und.
„Kein Experiment“
„Das war kein Experiment, dazu wussten wir zu klar, was wir wollten“, betont Produzent Brinkmann, der sich mit dem gesamten Team inzwischen über 500 verkaufte Kopien des Films freut. „Damit verdienen wir kein Geld, damit spielen wir vielleicht die Produktionskosten ein. Aber wir bekommen ganz viele Reaktionen auf den Film und besonders schön ist, dass alle, die die DVD bei uns bestellen, zwei, drei Sätze schreiben, warum sie den Film gut finden. Wir sind echt stolz auf diesen Erfolg.“
Das geht den beiden Regisseuren genauso, die sich besonders darüber freuen, dass viele Schulen ihren Film einsetzen, um an das Thema Inklusion heranzuführen.
Heute ist „46/47“ erstmals in Duisburg auf großer Kinoleinwand zu sehen, beim Kurzschluss-Festival der Uni Duisburg-Essen (s. Infobox). Auch viele der Darsteller werden dabei sein. „Wir hoffen, dass es ein buntes lustiges Festival wird“, sagt Nadine Heinze. Und Marc Dietschreit ergänzt: „Das ist ein schöner Ausgleich, wenn wir schon nicht in New York dabei sein können.“