Die Farbe des Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie ist an diesem Morgen ein sattes, knackiges Rot. Rot wie die Schirmmützen, die fast jeder der über 500 Duisburger Arbeitnehmer trägt, die mitmarschieren. Rot wie die Trillerpfeifen, mit denen sich die Gruppe bei ihrem Protestzug durch Hochfeld in schrillsten Tönen Gehör verschafft. Rot wie die Fahnen, Banner und Plakate, auf denen in weißer Schrift die zentrale Forderung der Gewerkschaft für diese Tarifrunde prangt: 5,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt. „Denn gute Arbeit braucht auch gutes Geld für die Beschäftigten“, stellt Jürgen Dzudzek, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Duisburg-Dinslaken, bei der Kundgebung unter dem Applaus der Zuhörerschaft klar.
Dienstag, 9.30 Uhr: Vor dem Eingang des Siemens-Werkes am Wolfgang-Reuter-Platz in Hochfeld drängen sich die Blaumänner. Junge Gesichter sind darunter – wie Matthias Plückelmann und Marvin Meier, die derzeit eine Ausbildung als Industriemechaniker bei Siemens absolvieren. Aber auch „alte Hasen“ machen mit, wie der 55-jährige Michael Simpson von Siemens oder Siegbert Satow (52), der schon seit über 34 Jahren für Voestalpine arbeitet. Sie alle laufen nach über Megafon erteiltem Marschbefehl los in Richtung „Efendi“ – eine große Halle, die heute als Kundgebungsort dient. Schnell bildet sich eine 150 Meter lange Menschenschlange, die von vier Polizisten in Pkw und auf Motorrädern abgesichert wird. Der Lkw-Stau, der sich schnell hinter der Masse bildet, kommt nur in Schrittgeschwindigkeit voran. Auch reduziertes Tempo verschafft Aufmerksamkeit.
Im „Efendi“ trifft Jürgen Dzudzek mit seiner Rede den Nerv der Belegschaften. „Was die Arbeitgeber da vorgelegt haben, ist doch kein Angebot“, schimpft der Gewerkschafter, „damit lassen wir uns nicht abspeisen“. Im Mai und Juni soll es nichts mehr geben. Ab Juli dann für elf Monate 2,3 Prozent mehr. „Rechnet man da die beiden Null-Monate mit rein, sind das nur 1,9 Prozent mehr. Damit liegen wir unter der Inflationsrate“, so Dzudzek.
Dabei hätten die Unternehmen doch gut verdient: „Die Branche ist nicht in der Krise. Addiert man die Gewinne aller Unternehmen, kommen wir auf 50 Milliarden Euro. Unsere Forderung nach einem Plus von 5,5 Prozent entspricht etwa neun Milliarden Euro“, rechnet Dzudzek vor. „Das wäre eine faire Beteiligung für die Beschäftigten am wirtschaftlichen Erfolg. Dieser Produktivitätsfortschritt muss sich auch im Portemonnaie der Arbeitnehmer wiederfinden.“
200 Betriebe in NRW waren gestern zum Streik aufgerufen, Kundgebungen gab es an insgesamt 32 Orten. Die nächste Verhandlungsrunde ist am 13. Mai. Bis dahin werden die Warnstreiks weitergehen. Heute in Alpen, bald in Dinslaken.