Die Wehmut ist wetterabhängig. Wenn die Sonne scheint, dann packt die Hambornerin Helga Gogoll die Sehnsucht nach dem Altmarkt. Über 30 Jahre hat sie hier mit ihrem Mann Harald Obst und Gemüse verkauft. „Ich musste mich erst eingewöhnen, doch dann war es eine schöne Zeit.“ Jedenfalls bei blauem Himmel. Wenn es stürmt, regnet und friert, dann freut sie sich, dass sie sich früh morgens im Bett noch einmal umdrehen kann und nicht mit klammen Fingern die Ware auf dem Markt kauffrisch ausstellen muss. „Dann denke ich schon mal: Ach die armen Kollegen“, sagt sie.

Wetterberichte kann Helga Gogoll viele aus ihrer Erinnerung erzählen, zum Beispiel vom Jahrhundertwinter 1969, als lediglich ein Bollerofen vor den eisigen Temperaturen schützte. Aber das sind nur Randgeschichten aus ihrer Zeit auf dem – laut Frische-Kontor – größten Markt in NRW, dem Hamborner Altmarkt.

Dort bot sie über die Saison gerechnet 300 verschiedene Sorten Obst an und etwa 75 verschiedene Gemüsearten. Von Apfelsine bis Zitrone, von Aubergine bis Zucchini. Immer dienstags, donnerstags und samstags. An einem Stand, der über 20 Meter maß und den die Stammkunden mit verbundenen Augen gefunden hätten. An den anderen Tagen verkaufte sie erst in Marxloh und später dann in Neumühl.

Wenn die Sonne am Wochenende lachte, kamen schon mal 500 Kunden am Stand vorbei. Wenn es weniger freundlich lief, fragten so etwa 100 Frischesucher nach Preisen und Qualität von Kokosnuss und Kartoffeln. Überhaupt Kartoffeln. Damit hatte sie mal einen kleinen Reinfall erlebt. Zum 25-jährigen Bestehen des Standes auf dem Altmarkt hatte man eine alte Waage aufgebaut und wollte Mutige in Kartoffeln aufwiegen.

„Aber niemand hat sich richtig getraut“, erzählt sie mit einem Lachen. Und wenn sie all diese Anekdoten „auspackt“, dann fällt auf: Markthändlerin zu sein, ist kein Job. Nichts, was man(n) oder Frau so mal macht, es ist viel mehr. Es ist ein Stück Leben. Das gilt auch für ihren Mann Harald.

Das Premierendatum weiß sie aus dem Kopf. Am 1. April 1969 stand sie zum ersten Mal mit ihrem Mann auf dem Altmarkt. Das Geschäft hatten die Gogolls vom Vater des Ehemannes übernommen. „Meine Schwägerin sagt immer, dass sie in einer Apfelsinenkiste aufgewachsen ist“, sagt die „angeheiratete“ Markthändlerin. Helga Gogoll arbeitete bis zum 31. Oktober 2009. Danach war Schluss. Zeit, das Markttreiben von der anderen Seite der „Ladentheke“ zu erleben.