Dass Jürgen Widera der neue Loveparade-Beauftragte der Stadt wird, stand schon lange fest. Bereits vor einem halben Jahr fragte ihn Oberbürgermeister Sören Link, ob er als unabhängige Instanz die Interessen der Hinterbliebenen und Betroffenen ver- und als Vermittler auftreten könne. Dass der 48-jährige Pfarrer erst jetzt als Ombudsmann vorgestellt wird, liege daran, dass die lange Debatte um die Gestaltung der Gedenkstätte „der falsche Zeitpunkt“ gewesen sei, sagte Link. An seiner eigenen Dialogbereitschaft ändere sich nichts: „Ich bleibe auch weiterhin in engem Kontakt mit den Angehörigen.“
Diskret und geräuschlos
Allerdings hätten schon bei seinem Amtsantritt Hinterbliebene nachdrücklich den Wunsch nach einem neutralen Ansprechpartner geäußert. Eine solche Person müsse Fingerspitzengefühl haben und Empathie zeigen, sagt der OB: „Ich bin mir sicher, dass Jürgen Widera dieses Profil erfüllt und die Rolle gut ausfüllen wird.“
Widera ist nicht der erste Loveparade-Beauftragte der Stadt, allerdings hatte man von seinem Vorgänger nie etwas gehört: Mit dem langjährigen Wahlamtsleiter German Bensch habe die Stadt laut OB bewusst einen Verwaltungsfachmann als Ansprechpartner eingesetzt, der sich um schnelle Hilfe und Klärung von Versicherungsfragen „sehr diskret und geräuschlos“ habe. Jetzt geht es um den Dialog auf einer ganz anderen Ebene, aber zumindest was die Diskretion angeht, versteht Widera seine Aufgabe ähnlich: „Als Vertrauensperson ist es für mich selbstverständlich, dass ich dieses Amt abseits der Öffentlichkeit wahrnehmen werde.“ Der 48-Jährige betont: „Ich bin kein Bediensteter der Stadt, sondern stehe an der Seite der Betroffenen.“ Die Anforderung, Ansprechpartner für Probleme und Konflikte zu sein, sind dem Pfarrer und seiner 25-jährigen Erfahrung alles andere als unbekannt. Er will bei Problemen mit der Stadt, Behörden oder der Versicherung vermittelnd eingreifen, Anliegen unterstützen und formulieren.
Das Ehrenamt, das Widera antritt, wird bei den wichtigen Fragen allerdings auch alles andere als eine leichte Aufgabe: Die Debatte um die Gedenkstätte hat gezeigt, dass sich die Interessen oft nicht unter einen Hut bringen lassen. Die Betroffenen der Loveparade-Katastrophe sind keine homogene Gruppe, es gibt Hinterbliebene, Verletzte, Angehörige, Traumatisierte und inzwischen auch mehrere Vereine. Vor wenigen Wochen hat sich die Betroffenen-Initiative „LoPa 2010“ gegründet und mit Michael Rubinstein einen Vermittler zur Stadt gewählt, den man OB Link bereits im Sommer 2012 als offiziellen Loveparade-Beauftragten vorgeschlagen habe. Hinterbliebene und Betroffene würden in einem Pfarrer „rein funktional keinen Bedarf“ sehen, teilte der Vorstand gestern mit.
Widera sei einer von mehreren Vorschläge aus dem Kreis der Hinterbliebenen gewesen, sagte OB Link dazu: „Ich gehe daher davon aus, dass er eine Grundakzeptanz genießt und wird auch allen anderen offen gegenüber stehen.“ Eine Absprache mit Betroffenen gab es aber offenbar nicht. Viele von ihnen wurden ein Tag zuvor per E-Mail über die Personalie informiert.
Brief an Kraft
Die Betroffenen-Initiative hat sich zudem vor wenigen Tagen mit einem Hilfe-Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gewandt. Nachdem sich die Notfallseelsorge aus der Betreuung zurückgezogen hat, beklagt der Verein, aus dem eine Nachsorge-Stiftung werden soll, die mangelnde Unterstützung der Stadt. Es fehle an finanziellen Mitteln, um auch weiterhin gemeinsame Gruppengespräche durchführen zu können, betroffene Jugendliche könnten die Reisekosten nicht selbst aufbringen. Nach Angaben des Vereins habe Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller Bereitschaft zu einem Gespräch signalisiert, das gleiche erhofft sich der Vorstand jetzt von Hannelore Kraft.