Duisburg. Innerhalb von 15 Monaten hat sich die Zahl der Rumänen und Bulgaren um mehr als 2000 auf 6513 erhöht. Armutszuwanderer? Laut EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gibt es keine massive Armutszuwanderung. Allerdings seien einige Städte im Ruhrgebiet stark belastet. Helfen können sie sich nicht allein.

„Das Problem können wir nicht alleine lösen.“ Wenn es um den Zuzug von Rumänen und Bulgaren nach Duisburg geht, sagt das nicht nur die Polizei. Das sagt auch die Stadt, das sagt das Land, das sagt der Bund. Und jeder guckt hilfesuchend jeweils eine Stufe höher bis zur Europäischen Union.

Doch dort gibt man sich gelassen. „Wir haben keine massive Armutszuwanderung, weder aus Rumänien noch woanders her“, diktierte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Journalisten in der zweiten März-Woche noch in den Block. Richtig sei, dass einige Städte, etwa im Ruhrgebiet, gerade stark belastet seien. Diese Probleme ließen sich aber mit Finanzhilfen und administrativer Unterstützung für die Kommunen bewältigen. Wie diese Hilfen konkret aussehen, verrät der EU-Parlamentspräsident jedoch nicht.

Fakt ist, Anfang Februar waren 6513 Rumänen und Bulgaren in Duisburg gemeldet, am 1. Dezember 2011 waren es noch 4498. Experten schätzen, dass pro Monat rund 300 Armutsflüchtlinge nach Duisburg kommen. Aber verlässliche Prognosen gibt es nicht. Vor allem nicht mit Blick auf den 1. Januar 2014, den viele fürchten.

Dann erhalten auch Bulgaren und Rumänen die volle Freizügigkeit in den EU-Staaten. Das heißt, die Armutsflüchtlinge, die bisher nur Kindergeld beziehen, haben dann Anspruch auf Sozialleistungen, vorausgesetzt sie hatten vorher einen Job. Man muss kein Zyniker sein, um vorherzusagen, dass es ab 2014 viele fingierte Anstellungsverträge geben wird, um so an Sozialleistungen zu kommen.

Keine regulären Stellen

Denn viele Zuwanderer werden zum großen Teil wohl keine regulären Stellen finden. Da kommen keine Facharbeiter und Ingenieure, die die Wirtschaft händeringend sucht. Da kommen vor allem schlecht gebildete Menschen, viele von ihnen sind Analphabeten. Und sie kommen aus Armenghettos, in denen Zustände herrschen, die man sich hier selbst in den schlimmsten Ecken der Stadt nicht vorstellen kann.

Deshalb ist das Leben in den vollkommen überfüllten Schrottimmobilien in Hochfeld, Untermeiderich, Bergheim oder Marxloh, in denen diese Menschen nun hausen, aus ihrer Sicht schon beinahe Luxus. Auch wenn es für die anderen Anwohner, die sich immer wieder massiv über Lärm, Dreck und Kriminalität beklagen, ein Unding ist.

Die Duisburger SPD will jetzt die Überbelegung von Wohnungen bekämpfen, weiß aber noch nicht wie. „Wir wollen über das Land prüfen lassen, wie die drastische Überbelegung von Wohnungen durch gesetzliche Regelungen verhindert werden kann“, so Angelika Wagner, sozialpolitische Sprecherin. Dazu bedürfe es rechtlicher Regelungen durch das Land, damit die Behörden in diesen Fällen handeln können. Dabei sollen auch Vermieter in die Verantwortung genommen werden, die mit der Überbelegung ihrer Wohnungen viel Geld verdienen würden.

Handlungskonzept zur Zuwanderung

15 Millionen Euro wird Duisburg die Freizügigkeit ab dem nächsten Jahr kosten, hat Oberbürgermeister Sören Link errechnen lassen. Geld, das Duisburg nicht hat. Dazu kommen, so die Stadt, weitere 18,7 Millionen Euro. So steht es im Handlungskonzept zur Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa, das die Stadtverwaltung erstellt und der Rat vor einem Jahr verabschiedet hat. Finanzieren darf die Stadt nur die Pflichtaufgaben wie zum Beispiel die Beschulung der Kinder. Und selbst das schafft sie nicht, weil Klassenräume und Lehrer fehlen.

Dennoch wird Duisburg das Problem allein lösen müssen, ist die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände überzeugt. Oder wie es Karl-August Schwarthans von der Awo-Integrations GmbH kürzlich deutlich formulierte: „Schminkt euch den Gedanken ab, dass es EU-, Bundes- oder Landesmittel gibt.“