Essen. Die Zahl der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien wächst seit Jahren. Sandra Maischberger ging mit ihren Gästen der Frage nach, wie viel Armutszuwanderung der deutsche Sozialstaat aushalten kann. Diskutiert wurde auch am Beispiel Duisburg-Hochfeld. Leider sehr oberflächlich. NRW-Integrationsminister Guntram Schneider sieht den Bund in der Bringschuld.

Nein, mit einer lösungsorientierten Diskussion war wohl von Beginn an nicht zu rechnen. Das machten schon die Einführungsstatements der Maischberger-Sendung „Die Armutseinwanderer: Ist Deutschland überfordert?“ klar.Das Thema ist brandaktuell, die Gemüter erhitzt.

"Wir sind nicht das Sozialamt Deutschlands“, ließ sichWilfried Scharnagl (CSU) zitieren. "Dieses Land ist reich genug", verteidigte Hamze Bytyci, Vorstandsmitglied im "Bundes Roma Verband", den Zuzug der Bulgaren und Rumänen. Zwischen diesen Positionen ist viel Platz für Diskussionen, aber kaum eine Chance auf Annäherung.

Duisburg-Hochfeld als Beispiel-Stadtteil

Als Aufhänger für die Debatte diente der Duisburger Stadtteil Hochfeld. Detailliert beleuchtet wurde die Situation vor Ort nicht. „Man trägt sich mit dem Gedanken, wegzuziehen“, und ähnliche Sätze durften einige Anwohner in einem Einspielfilm in die Kamera sagen. Das war es dann auch fast schon mit Untersuchung vor Ort.

SozialhilfeDabei bemühte sich Michael Willhardt, die Aufmerksamkeit auf Duisburg-Hochfeld zu lenken. Mit einem Brandbrief hatten er und seine Bürgerinitiative „Zukunftsstadtteil“ schon vor eineinhalb Jahren von sich Reden gemacht. „Das Maß ist voll“, schrieb er damals über die aus seiner Sicht unhaltbaren Zustände in Hochfeld, einem Zuwanderungsschwerpunkt.

Michael Willhardt berichtete von Problemen bei der Kontaktaufnahme über starke Ressentiments auf Seiten der Zuwanderer bis hin zur Gewalteskalationen.

Illegale Infrastrukturen in Deutschland

Ein Ausschnitt aus einem Dortmunder Tatort sollte zudem die Situation auf dem sogenannten Arbeiterstrich verdeutlichen, auf dem Zugewanderte gehandelt werden wie Vieh. Aber warum eigentlich? Die Spiegel-Autorin Özlem Gezer saß als ausgewiesene Expertin doch mit in der Runde.

„Bundesweit wachsen illegale Infrastrukturen“, erklärte sie. Eindringlich schilderte die Journalistin, wie verarmte Roma-Familien in Bulgarien und Rumänien auf Müllkippen leben und dann busseweise und „auf Bestellung“ nach Deutschland gebracht werden. „Es gibt kein fließend Wasser, aber Visitenkarten von Schlepperbanden“, so Gezer.

In Deutschland, in dem Bulgaren und Rumänen ein „Versprechen auf Wohlstand einlösen wollen“ (Hamze Bytyci) werden sie dann wieder für einen Hungerlohn ausgebeutet und in Schrottimmobilien zu überhöhten Mieten untergebracht.

NRW-Minister Guntram Schneider sieht Bund in der Bringschuld

Viele relevante Themen wurden nur gestreift. Die wirtschaftlichen Hintergründe etwa: Wer Schrottimmobilien besitzt und wer an den billigen Arbeitskräften verdient. Und welche Chancen und Möglichkeiten zur Integration es gibt. Alles wurde angeschnitten, um es direkt wieder fallen zu lassen.

Im Kern war es ohnehin eine Sendung über das Gefühl, im Stich gelassen zu werden. Verbandsvertreter Hamze Bytyci sieht die Roma in der Opferrolle und von Medien und Politikern falsch dargestellt. Michael Willhardt fühlt sich mit den Problemen in seinem Viertel und durch einen „Kulturschock“ überfordert. NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) sieht den Bund in der Bringschuld, Städte und Länder seien überlastet. Und Wilfried Scharnagl (CSU) erkennt in der EU den Hauptschuldigen an der ganzen Misere, weil Bulgarien und Rumänien zu früh der Beitritt erlaubt worden sei: „Brüssel hat uns Sand in die Augen gestreut.“

Spannend waren diese Schuldzuweisungen nicht, voran gebracht haben sie die Diskussion keinen Millimeter. „Dieses dauernde Gejammer geht uns furchtbar auf die Nerven“, rief der Duisburger Michael Willhardt dann auch irgendwann aus. Er wollte endlich Lösungsansätze sehen.

CSU-Mann Scharnagl bringt Visumszwang ins Gespräch

Angesprochen wurden immerhin mögliche Wege, den Zuwanderungsstrom einzudämmen. Einig waren sich alle darin, dass die Linderung der Armut in den Heimatländern helfen würde.

Um der Zuwanderung Herr zu werden, brachte Scharnagl aber auch die Wiedereinführung des Visumszwangs ins Spiel. „Eine Masseneinwanderung auf wenige Brennpunkte ist von unserem Sozialstaat nicht zu machen“, so der CSU-Politiker.

Bytyci verwies auf Deutschlands historische Vergangenheit und schreckte auch vor einem ungewöhnlichen Vergleich nicht zurück. „Wenn wir das mit Ostdeutschland hinbekommen haben, bekommen wir das auch hin“, sagte er.

Was Sängerin Lucy Diakovska von der Debatte hält

Auch die bulgarische Sängerin und Moderatorin Lucy Diakovska berichtete von den Problemen in ihrer Heimat und ihrer Einwanderervergangenheit. Allerdings kam der spätere Popstar nicht als Armutsflüchtling in dieses Land, sondern aus einem gebildeten Elternhaus.

Dass in der Bildung ein Schlüssel zur Problemlösung liegen könnte, immerhin darauf konnte sich die Runde einigen. Journalistin Özlem Gezer warf dabei die spannende Kosten-Nutzen-Frage auf. Sei es nicht klüger, fünf Jahre lang in die Ausbildung von jungen Roma-Einwanderern zu investieren statt jahrzehntelang in soziale Unterstützung, fragte sie in die Runde. Intensiv diskutiert wurde auch diese Frage nicht.

„Eine Bestandsaufnahme“ nannte Sandra Maischberger ihre Sendung am Ende. Ja, mehr als das Gegenüberstellen von Meinungen war die Talkshow wirklich nicht. Schade. Das Potenzial war da. Das Thema hätte es verdient gehabt.