Muzaffer Evli ärgert sich. Wieder einmal haben Viertklässler ihre Halbjahreszeugnisse mit den Empfehlungen für die weiterführenden Schulen erhalten, wieder einmal gibt es bei Kindern mit türkischem Migrationshintergrund fragwürdige Empfehlungen. „Sie haben trotz sehr gutem Notendurchschnitt keine Gymnasialempfehlung bekommen, so dass sie nicht auf die Schulform gehen können, die sie eigentlich verdient hätten“, sagt Evli mit Blick auf die Zeugnisse die vor ihm liegen. Er ist Vorsitzender des Duisburger Eltern- und Bildungsvereins, der Eltern mit Migrationshintergrund bei Fragen zum deutschen Bildungssystems unterstützt.

Zwei Beispiele: Ein Schüler der Rheinhauser Grundschule an der Krefelder Straße hat in allen Kernfächern jeweils die Note zwei. Die Empfehlung lautet: Realschule oder Gesamtschule. Ähnlich sieht es bei einem Schüler der Grundschule Hochfelder Markt aus, er hat in Englisch sogar eine Eins. Auch ihm wird im Zeugnis die Real- oder Gesamtschule empfohlen, immerhin mit dem Hinweis fürs Gymnasium „mit Einschränkung“ geeignet zu sein.

Nun lässt sich eine Empfehlung neben den Noten auch aus dem Arbeits- und Sozialverhalten ableiten. Doch auch hier finden sich keine begründbaren Bewertungen. Reicht ein Zweier-Schnitt also nicht aus, um ein Gymnasium zu besuchen? „Doch“ heißt es aus der Schulaufsicht, die sofort nach der NRZ-Anfrage reagiert hatte. „Wenn es ausschließlich solide Zweien auf dem Zeugnis gibt, dann reicht das für eine Gymnasial-Empfehlung“, bestätigt Schulamtsdirektorin Monika Müller. Sie hat sich die Fälle vorlegen lassen. An der Rheinhauser Grundschule wird am Dienstag erneut die Klassenkonferenz tagen und alle Zeugnisse und Empfehlungen auf Stimmigkeit überprüfen.

Dennoch bleibt die Frage, ob die Lehrer denn nicht auf einen klaren Kriterien-Katalog zurückgreifen, wenn sie Empfehlungen aussprechen. „Jein“, lautet die Antwort: Zwar gebe es Kriterien, die seien aber nicht nach Noten abgegrenzt. Am Ende bleibt es eine Ermessensentscheidung. „Allerdings trifft sie nicht ein Lehrer alleine, sondern die Klassenkonferenz“, sagt Müller. „Und die Zeugnisse werden im Gespräch mit den Eltern ausgegeben. Doch hier hat es keine Anmerkung der Eltern gegeben. Das Gespräch ist einvernehmlich geendet.“ Die Schulleitung sei deshalb auch erstaunt gewesen, als sie von den Vorwürfen gehört habe.

Andere Fälle als die vom Elternverein kritisierten seien der Schulaufsicht nicht bekannt. „Es gibt immer mal wieder Anrufe von Eltern wegen der Empfehlungen. Wir raten dann noch einmal zu einem Gespräch mit der Klassenlehrerin, in dem sich der Fall dann in der Regel aufklärt“, sagt Müller.

Muzaffer Evli dagegen kommt es so vor, als würde er gegen Windmühlen kämpfen. „Es ist leider kein Einzelfall“, ist ein Satz, den er immer wieder sagt, das erste Mal im NRZ-Interview vor zwei Jahren. Für Aufmerksamkeit hatte das beim Sender 3Sat gesorgt, der daraus den Beitrag „Schlau und trotzdem nur Hauptschule“ formte und damit vor wenigen Wochen den Kausa-Medienpreis des Bundesbildungsministeriums gewann.

„Es hat sich nichts geändert“

„Geändert hat sich dadurch aber auch nichts“, sagt Evli. „Seit Jahren versuchen wir Eltern zu helfen, indem wir den Fall mit Klassenlehrern und Schulleitern nochmals klären. Eltern, die nicht zu uns finden, schicken ihre Kinder leider in die Schulformen, die dem Notendurchschnitt nicht entsprechen. Sie haben hohen Respekt vor Schule und Lehrern, sie kritisieren sie nicht.“

Schulamtsdirektorin Müller widerspricht. „Ich kann aus Erfahrung sagen, dass diese Eltern durchaus sehr selbstbewusst das Gespräch suchen, wenn sie nicht einverstanden sind. Und in den Jahren baut sich schließlich auch ein Vertrauensverhältnis zu dem Klassenlehrer auf.“ Den Vorwurf, dass Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt würden, weist sie entschieden zurück. An der Rheinhauser Grundschule zum Beispiel gebe es ein deutsches Kind mit gleichen Noten-Durchschnitt, das auch nur eine eingeschränkte Gymnasial-Empfehlung bekommen habe.

Am Dienstag wird sich die Klassenkonferenz alle Empfehlungen für die vierten Klassen überprüfen. An der Grundschule Hochfelder Markt ist dies bereits geschehen. Ergebnis: Das türkische Kind mit dem Zweier-Schnitt hat nun doch eine direkte Empfehlung fürs Gymnasium bekommen.