Duisburg.. Was passiert, wenn das gesamte Stromnetz einer Großstadt zusammenbricht? Der “Blackout“ ist gefürchtet, Unternehmer und Versorger warnen immer wieder davor. So reagieren die Stadtwerke Duisburg auf das steigende Risiko für einen flächendeckenden Stromausfall.
Plötzlich geht der Herd aus, das Radio verstummt, Bildschirme werden schwarz: Stromausfall. Für 5500 Haushalte im Duisburger Norden war am Mittwoch vor Weihnachten spürbar, was es bedeutet, vom Netz abgekoppelt zu sein. Manche mussten drei Stunden warten, bis das Licht wieder anging. Aber was passiert eigentlich, wenn das gesamte Netz einer Großstadt zusammenbricht? Wenn es den gefürchteten „Blackout“ gibt, und der Strom länger ausfällt? Und wie hoch ist das Risiko dafür?
Unternehmen und Versorger warnen immer wieder vor Stromausfällen, weil die Anlagen für erneuerbare Energien schneller ausgebaut werden als die Netze und diese damit ans Limit bringen. Dass ein Blackout in einer Großstadt nicht ausgeschlossen ist, zeigen zwei Beispiele: In Hannover waren im Vorjahressommer 650.000 Menschen spätabends ohne Strom, einige steckten in Aufzügen fest, die Schicht in Betrieben stand still. Und vor wenigen Wochen, am 15. November, wurde es in weiten Teilen Münchens dunkel, Züge blieben stehen, Ampeln fielen aus, im Berufsverkehr herrschte Chaos.
Von München lernen
Von München wollen sie jetzt alle lernen. Auch Duisburg. „Wir stehen in Kontakt und werden uns auch bald mit den Kollegen vor Ort austauschen“, sagt Volker Jürgens von der Duisburger Netzgesellschaft. Beide Städte haben das gleiche System zur Steuerung der Versorgung. Und letztlich kann man verlässliche Schlüsse nur aus dem Ernstfall ziehen. Es gehe darum, so gut wie möglich vorbereitet zu sein, auch wenn man nicht wisse, was passieren wird. „Die Sensibilisierung erfolgt jetzt gerade“, sagt Jürgens.
So ist die Netzgesellschaft der Stadtwerke Duisburg auch Teil eines Forschungsprojekts, mit dem sich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe befasst. Ziel ist, das Risiko eines lang anhaltenden, großflächigen Stromausfalls zu reduzieren. Denn ein solcher, attestierte bereits ein Gutachten für den Bundestag, „käme in Deutschland einer nationalen Katastrophe gleich“.
In München war ein Kurzschluss an einer 110.000-Volt-Überlandleitung die Ursache, ein Umspannwerk explodierte. Warum die beschädigte Leitungen aber nicht automatisch vom Netz getrennt wurde, ist noch unklar. Doch wie lässt sich einem solchen Szenario konkret in Duisburg begegnen? Bei externen Störungen im Vornetz wie in München sei man machtlos, sagt Jürgens. Aber: „Wir sind eine der wenigen Städte, die sich theoretisch selbst versorgen könnten.“
Duisburg verfügt über zwei Einspeisepunkte im regionalen Vornetz, aber auch über zwei eigene Kraftwerke in Hochfeld und Wanheim mit einer Leistung von insgesamt 350 Megawatt. Das ist ungefähr die Menge, die in der Stadt in der Spitze verbraucht wird. „Die Frage ist nur, ob sich das Kraftwerk bei dem Spannungsabfall noch im Eigenbetrieb fangen würde oder ob es erst wieder angefahren werden muss“, sagt Jürgens. Auch dabei lässt sich auf keine Erfahrungen zurückgreifen.
Der letzte Blackout liegt fünf Jahre zurück
Der letzte Blackout, der die gesamte Stadt verdunkelte, liegt fünf Jahre zurück. Als im Januar 2007 der Orkan Kyrill wütete, fiel die Spannung im überregionalen Verbundnetz so weit ab, dass auch die beiden Duisburger Kraftwerke vom Netz geworfen wurden. Innerhalb weniger Sekunden habe man auf die zweite Koppelstelle umschalten können, erinnert man sich in der Leitstelle der Netzgesellschaft.
So ging in den meisten Stadtteilen wenige Minuten später wieder das Licht an. „Wir sind für viele Szenarien gut aufgestellt und haben ein gutes System“, sagt Jürgens. Die „Hauptschlagader“, das 110.000-Volt-Netz, ist in einem Ring angelegt: Fällt ein Abschnitt aus, lässt sich die Versorgung über die andere Richtung wieder herstellen. Gesteuert wird das Ganze in der sogenannten „Querverbundleitstelle“.
Druckabfall in der Halbzeitpause – ein Besuch in der Netzleitstelle
In der Netzleitstelle lässt sich der Tagesablauf der Duisburger nachvollziehen — und sogar wann sie alle aufs Klo gehen.
Die Monitorwand ist riesig, ihr Standort ist geheim. Wo sich die zentrale Leitstelle befindet, an der die Fäden für die Energieversorgung der ganzen Stadt zusammenlaufen, wollen die Stadtwerke aus Sicherheitsgründen nicht preisgeben und schon gar nicht in der Zeitung lesen. Verständlich in Zeiten, in denen ein herrenloser Koffer den Alltag in einen Ausnahmezustand verwandelt. So führt der Weg durch Durchlass-Sperren und vorbei an Gegensprechanlagen. In der Leitstelle der Netzgesellschaft lässt sich das komplette Versorgungsnetz überblicken. Strom, Wasser, Gas, Fernwärme. Und sogar die grobe Struktur des Alltags der Duisburger lässt sich aus den unzähligen Daten herauslesen.
Die Stadt erwacht um sechs Uhr, der Stromverbrauch geht in die Höhe. Zum Feierabend, ab 17 Uhr steigt die Kurve noch einmal an. Zwischen 18 und 19 Uhr verbraucht Duisburg den meisten Strom, in der Spitze rund 340 Megawatt. Das ist so viel, wie die beiden Kraftwerke in Hochfeld und in Wanheim bei Volllast produzieren können. Ab 20 Uhr geht der Stromverbrauch wieder rapide herunter. Doch selbst wenn die Stadt schläft, verbraucht sie immer noch 180 Megawatt. An Feiertagen, auch das ist deutlich zu erkennen, steigt die Kurve später und „gemütlicher“ an, der Tag beginnt für die Stromverbraucher nicht vor 7 Uhr.
Aber selbst die kleinen Ereignisse in den Haushalten finden sich hier auf den riesigen Monitoren wieder. „Bei Länderspielen der Deutschen Nationalmannschaft wissen wir sofort, wann Halbzeit ist. Dann fällt der Druck im Wassernetz ab, weil alle zur Toilette gehen“, sagt Ingenieur Markus Noga.
Und auch den dann sprunghaft ansteigenden Stromverbrauch kann er erklären: „Da werden unzählige Kühlschranktüren geöffnet.“ Zu den Großereignissen im Fernsehen, die für Spitzen in der Stromkurve sorgen, gehörte vor Jahren auch die Serie Lindenstraße: Pünktlich gingen damals die Fernsehgeräte an. „Die Gänsebraten-Spitze, wenn zum Fest alle den Braten in den Ofen schieben, haben wir dagegen erfolglos gesucht“, unkt Volker Jürgens, Leiter der Querverbundleitstelle.
Versorgungssicherheit, eine Selbstverständlichkeit
Die Versorgungssicherheit ist hierzulande nahezu eine Selbstverständlichkeit: Das Wasser kommt aus dem Hahn, der Strom aus der Steckdose und genug Gas für die Heizung ist auch immer da. Ist das nicht der Fall, landen die Meldungen ebenfalls bei der Netzgesellschaft, die auch den Entstörungsdienst und die entsprechende Hotline betreibt. Rund 150 Kunden rufen hier pro Versorgungsbereich im Monat an, in zwei Drittel der Fälle liege die Störung allerdings nicht an den Netzen.
Rund 30 Stromausfälle gibt es in Duisburg pro Jahr im Mittelspannungsnetz. Die Zahl liege in den letzten Jahren leicht über dem Bundesschnitt, sagt Jürgens. Häufigste Ursache: Ein Bagger reißt die Leitung auf. „Insofern kann man an der Zahl der Stromausfälle auch die Bauaktivität in der Stadt ablesen.“