Duisburg. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Frische-Kontors (ehemals „Schlachthof & Märkte“) veröffentlichen wir Geschichten aus der Chronik.

Der Bulle sah weiß. Das Weiß der Metzgerschürzen. Da packte ihn die Wut. Nur weg vom Schlachthof! Das mächtige Rind aus dem Westmünsterland setzte seine 20 Zentner in Bewegung. „Und wenn so ein Bulle losläuft, dann gibt es kein Halten mehr“, erinnert sich der frühere Tierarzt auf dem Schlachthof, Dr. Bruno Kraft, an das Rodeo im Jahr 1988.

Es war ein heißer Sommertag, als die wilde Jagd begann. Auf den letzten Metern zur Schlachthalle riss sich das Tier los. Verfolgt zunächst von den Metzgern in Weiß. Und bei Weiß, das lehrt die Erfahrung, sieht so ein Bulle gerne Rot. Da konnte ihn auch das Tor am Zugang zum Schlachthof nicht aufhalten. Geistesgegenwärtig hatte es der Pförtner verschlossen. Doch mit seinen Hörnern rannte das Tier es einfach um. Ab auf die Gelderblomstraße und dann über die B 8. Die wilde Jagd hatte begonnen. Bruno Kraft packte sein Betäubungsgewehr, zog unauffällige gedeckte Kleidung an, denn er wollte die Wut ja nicht noch steigern und machte sich auf.

Polizei rückte an

Die Polizei war auch schon angerückt. Ja, es war wirklich eine wilde Hatz. Denn das Tier hatte sich inzwischen auf den Weg nach Oberhausen gemacht. Durch die Büsche ging es und dann in den Kanal. Jetzt hatte auch die Wasserschutzpolizei ihren Auftritt und stoppte den Schiffsverkehr. Der mächtige Schwimmer erreichte das andere Ufer, zeigte sich jedoch ausgesprochen prüde. Nacktbader hatten auf der Oberhausener Seite des Kanals den Sommertag freiluftig genutzt. Kaum nahm das Rind die Menschen und deren Geschrei wahr, drehte es um und kehrte nach Meiderich zurück.

Veterinäre kontrollieren das Fleisch der Tiere

Das eigentliche Kerngeschäft der Außenstelle des Veterinäramtes der Stadt Duisburg war das Einfangen von Rindern natürlich nicht.

Im Mittelpunkt der Tätigkeit, die die vier Tierärzte und 18 Fleischbeschauer ausführten, stand die Kontrolle der Tiere und des Fleisches.

Endlich kam Bruno Kraft zu seinem Einsatz. Doch so ein Blattschuss wirft einen Stier keineswegs gleich um. Er torkelte weiter auf die Bahngleise. Inzwischen war ein Schienenbus angerollt, der nun Halt auf freier Strecke machte. Der Zugverkehr kam zum Erliegen, weil ein Stier auf den Gleisen lag. Noch einmal raffte sich das Tier auf und kämpfte sich durch eine Kleingartenanlage, bevor Kraft ihn „final ruhigstellte“. Mit einem Unimog und unter Polizeischutz ging es zurück auf den Schlachthof. Der Stierkampf hatte sein Ende gefunden.

Solche Ausbrüche von Tieren auf dem Schlachthof kamen gelegentlich vor. Jeder auf dem Schlachthof kann eine solche Geschichte erzählen. Rinderrennen sorgten stets für Aufsehen und verlangten nicht selten nach dem Einsatz des Betäubungsgewehrs. Nicht jedes Mal ging es so dramatisch zu wie beim Rodeo im Jahr 1988. Oft genügt es schlicht, einen Bullen mit Hilfe einer Kuh liebeslustig zurück auf den Schlachthof zu locken.

Der spätere Betriebsleiter des Fleischzentrums, Karl-Heinz Becker, ließ schließlich einen Zaun aus Trapezblechen bauen, danach gelang es keinem Tier mehr, die Straßen von Meiderich unsicher zu machen.