Essen. . Als kleines Kind kam Tagrid Yousef mit ihren Eltern aus Palästina nach Essen. Der Vater fand , dass seine Älteste eine Lehre machen sollte. Ihr reichte das nicht. Jetzt wurde die Duisburger Biologie-Lehrerin vom Gertrud-Bäumer-Berufskolleg mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet.

Handys im Unterricht? Das geht gar nicht. „Die sammle ich ein und schließe sie weg“, sagt Tagrid Yousef. Quengeln zwecklos bei dieser freundlichen Lehrerin, die am Gertrud-Bäumer-Berufsgymnasium 140 junge Frauen und Männer im Leistungskurs Biologie unterrichtet. Ihre Schülerinnen und Schüler dürften heute feiern: Tagrid Yousef war gestern gemeinsam mit ihrer Ex-Schülerin Burcin Kaplan in Berlin, um den „Deutschen Lehrerpreis“ entgegen zu nehmen. Sie war eine von weit über hundert Lehrkräften, die Jugendliche aus acht Bundesländern für die Auszeichnung vorgeschlagen hatten. Vergeben wurden 16 Preise.

Dass der letzte Abi-Jahrgang sie vorschlug, weiß sie seit drei Wochen. „Ich war total überrascht darüber“, sagte sie der Redaktion. Noch mehr staunte sei beim Lesen der guten Gründe, die ihre Ehemaligen für die Jury aufgelistet hatten.

Diese etwa: „Es macht einfach nur Spaß bei ihr im Unterricht zu sein und mitzuarbeiten. Sie hat einen super ­Humor, deshalb lachen wir auch gerne mit ihr. Gleichzeitig wird man für die Abitur-Prüfungen sehr gut vorbereitet.“

Lernen ohne Angst

Andere Argumente für den Preis an diese Lehrerin waren ihr Engagement über Fächergrenzen hinweg, ihre Vermittlungskompetenz, ihr verantwortungsvoller Umgang mit den Schülern. Wiederholt gab es Lob für das „Lernen mit allen Sinnen“, das offenbar viele Ängste vor dem Fach Biologie nimmt.

Dass auch junge Menschen mit einem Knick in der Schullaufbahn wissenschaftliche Höchstleistungen erbringen können, lebt sie ihren Schülerinnen vor. 1967 geboren in Palästina, kam sie 1968 mit den Eltern nach Essen. Der Vater, ein traditioneller Moslem, fand, der Hauptschulabschluss und die Lehre zur Arzthelferin reichten für die Älteste. Sie wollte weiterlernen und setzte sich durch. Nach dem Abitur heiratete sie ihren Mann; „und drei Tage nach der Hochzeit saß in Bochum im Hörsaal.“

Gehirngerechtes Lernen wirkt

Sie studierte Biologie, er Maschinenbau; sie schrieb ihre Doktorarbeit, bekam zwischendurch zwei Töchter und wurde 2006 am Gertrud-Bäumer-Berufskolleg fest angestellt. War dort über Jahre die einzige muslimische Lehrkraft; inzwischen sind sie zu dritt.

Neuro-Biologie begeistert Tagrid Yousef in Theorie und Praxis – dass und wie gut „gehirngerechtes Lernen“ wirkt, belegen die Lernerfolge ihrer Schüler im Zentralabitur.

Offenheit, Transparenz, Strenge und Glaubwürdigkeit, das erwarten Schüler von ihrer Lehrerin, sagt sie. Im Gegenzug will sie die Freude am Lernen und an guter Leistung wecken: „Es macht mir Spaß, den Unterricht aus aktuellem Anlass auch mal umzuwerfen. Als die Nobelpreise verliehen wurden, haben wir geguckt: Wofür gab es die denn?“

Jedes Talent sehen und fördern

Wichtig ist der Lehrerin, „dass ich alle Jugendlichen in der Klasse zum Erfolg bringe, gerade auch die Schwächsten, die sich zunächst so wenig zutrauen. Wenn sie merken, dass ich ihre Leistung sehe, blühen sie auf.“ Die Schule habe die Aufgabe, jeden zu fördern, seine Talente zu sehen und weiter zu entwickeln. Darauf, sagt sie, habe jeder Jugendliche ein Recht.

Voneinander lernen, im Team den Unterricht weiter entwickeln, alle jungen Leute an der Schule individuell fördern : Für die Schulleiterin Ruth Gesing sind das zentrale Ziele für das gesamte Gertrud-Bäumer-Berufskolleg. Weshalb das Kollegium den Lehrerpreis für Tagrid Yousef auch als eine Auszeichnung für das gesamte Team – mit immerhin rund 140 Lehrkräften – verstehe. Gesing: „Wir freuen uns über diese Auszeichnung, die uns alle ehrt.“